Böse Zungen
Da war diese kleine Nichte, deren Augen glänzten, während das Märlitram an uns vorbeifuhr. Sie gluckste bei Weihnachtsbeleuchtungen und staunte bei Weihnachtsmännern. Ich liess mich auf ihre kindliche Neugier ein, lebte ihr den Adventszauber vor und steckte viel Liebe und Arbeit in einen selbst gebastelten Adventskalender. An Weihnachten trommelte ich die ganze Sippe zusammen. Wir assen, sangen Lieder und tranken leicht über den Durst. Als meine Nichte etwas grösser wurde, etablierte ich den Samichlaus-Hausbesuch. Ich lud verschiedene Kinder dazu ein, bastelte Samichlaussäckli und ein magisches Samichlausbuch. «Böse» Zungen behaupten, ich sei jeweils aufgeregter als die Kinder.
2020 kam mein Sohn zur Welt. Ein Weihnachten später ist es komplett eskaliert. Ich habe Stunden investiert, um meinem Buben, meiner Nichte und meinen Patenkindern Kalender zu basteln. Die Samichlaus-Runde ist derweil so gewachsen, dass ich mir überlege, bald einmal eine Waldhütte zu mieten. Dieses Jahr trübte ein trauriger Fakt «mein» Fest. Die Nichte offenbarte mir gegenüber neulich, dass sie weiss, dass es den Samichlaus nicht gibt. Sie hat das ohne grosse Emotionen gesagt. Und dabei meinen Plan zerstört. Immerhin habe ich mir ewig lange überlegt, wie ich sie auffange, wenn sie schnallt, dass der Weihnachtsmann ein einziger Schummel ist. Für nichts. Die Nichte setzte noch einen obendrauf. Sie sagte, dass sie lieber einen Kinoeintritt mit Freundinnen statt eines Adventskalenders will. Da gelobe ich mir meinen Vierjährigen, der die Magie des Advents hoffentlich noch zehn Jahre mit mir mitmacht.