Neulich steht mein Sohn um 3:09 Uhr an unserem Bett. Er habe einen Albtraum gehabt, erzählt er seelenruhig. Dann macht er das Licht an und holt aus. «Hör zu, Mama, das war krass», sagt er. Da war ein Drache mit fünf Köpfen! «Mami, fünf!» Ich bin noch nicht ganz da. Das Kind dafür umso mehr. Der fünfköpfige Drache stieg jedenfalls in ein radioaktives Ufo und flog in ein Paralleluniversum. Dort angekommen, musste er ein goldenes Schwert aus einem Schiffswrack fischen, um das Tor zur magischen Welt zu öffnen. «Er hats fast geschafft. Dann kam aber ein Adler, er war ein getarnter Bösewicht, und dann mussten sie kämpfen und dann erhob sich ein riiiiesiges Monster aus dem Meer und hat alle aufgefressen.» 3.17 Uhr. Das Kind ist aufgeregt. Ich überlege mir, wann man ihn in die Hollywood-Fabrik schicken kann.
Achtung! Der Pilot!
Ich biete an, den Rest der Nacht in unserem Bett zu verbringen. Der Bub nimmt an, legt sich zwischen uns und döst weg. Glaube ich. Und irre mich. Er schreckt hoch. «Maaaamiiii?» Ich versuch, mich schlafend zu stellen. Also springt er auf, zündet das Licht an und holt zur zweiten Runde aus. Der Sohn erzählt von einem KindergartenGspänli, das ihm gesagt hat, dass bei ihm zu Hause eine Armee aus Superhelden wohnt. Spiderman, Hulk, Superman, Wonderwoman, Captain America. Alle echt. Alle unter seinem Bett. Das Kind habe die Macht, die Helden unsichtbar zu machen. Mein Sohn sei der Einzige, der eingeweiht ist. Neu sehe er die Helden auch. «Sie sitzen unter unseren Stühlen im Kreis und draussen spielen wir Fangis. Aber das weiss niemand ausser uns.» Mein Sohn ist im Film. Ich mach das Spiel mit. Ich will ja irgendwann wieder schlafen. Bis es so weit ist, dauert es noch ein, zwei mit sehr viel Liebe zum Detail ausgeführte Fantasiegeschichten. Ein paar Tage später sitzen wir am Tisch. Der vierte Stuhl ist, wie immer, leer. Ich will meine Tasche draufstellen.