In ihrer Praxis in Wettingen erfährt sie immer wieder von Schicksalen wie jenem der Rupps. Sie suche dann Anlaufstellen heraus und vermittle Betreuungsangebote, aber nicht immer gelinge es ihr, eine passende Lösung zu finden. «Ich fühle mich oft hilflos», erzählt sie. «Es dürfte eigentlich nicht sein, dass Familien in solchen Dingen auf ihre Kinderärztin angewiesen sind.» Sie staune immer wieder, wie es trotzdem fast alle schafften, diese schwierige Zeit irgendwie zu überbrücken – meist mit sehr viel Rückhalt von Angehörigen, Freunden oder Nachbarn.
Natürlich gebe es gute Dienste, an die sich betroffene Familien wenden können, betont Villiger-Theiler. Je nach Kanton und Gemeinde falle die Auswahl jedoch sehr unterschiedlich aus. «Ganz viel hängt schlussendlich vom grossen Engagement einzelner Personen und Organisationen ab.» Manchmal greife auch das öffentliche Gesundheitssystem, etwa, wenn bei einer schweren postpartalen Depression die Mutter gemeinsam mit dem Baby hospitalisiert werden könne. «Aber auch dann ist nicht geklärt, wer etwa zu den Geschwisterkindern schaut.»
Hinzu kommt: Viele Lösungen sind privat und müssen von den Betroffenen selbst finanziert oder mitfinanziert werden. Gerade zügig verfügbare Hilfe hat meist ihren Preis. Wer für fünf Tage pro Woche einen Notfallplatz in der Kita braucht, für eines oder mehrere Kinder oder eine Nanny einstellen muss, zahlt bald einmal mehrere Tausend, wenn nicht Zehntausende von Franken. Und auch wenn Organisationen wie das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) oder die Spitex lohnabhängige Tarife für den Entlastungsdienst oder die Haushaltshilfe verrechnen, heisst das nicht, dass sich diese alle leisten können. Kostenlose und niederschwellige Angebote haben dafür oft lange Wartefristen oder decken die Bedürfnisse der Betroffenen nur begrenzt ab.
«Die Lösungen sind sehr individuell und abhängig davon, wo eine Familie wohnt, wie sie versichert ist und welche finanziellen Mittel sie hat», sagt auch Franziska Hochstrasser, die stellvertretende Leiterin des Sozialdienstes im Kantonsspital Aargau. Wo das Geld knapp sei, lohne es sich aber, einen Antrag an Organisationen wie das SRK auf Kostenerlass zu stellen oder gemeinnützige Stiftungen um Hilfe zu bitten; der Sozialdienst unterstütze Familien beim Aufsetzen solcher Gesuche. Die Sozialarbeiterin räumt aber ein: Natürlich bedeute dies für die Betroffenen auch administrativen Aufwand und Abwarten in einer Lage, die eigentlich keinen Aufschub dulde.
Einig sind sich deshalb Fachleute: Ohne die eigenen Eltern oder Schwiegereltern ist eine solche Notlage fast nicht zu bewältigen. «Grosseltern sind in der Schweiz unverzichtbar», sagt Villiger-Theiler. Aber selbst wenn diese einsprängen – irgendwann kämen auch Grosseltern an ihre Grenzen.