Komisch, an diesem Diktat stösst sich wiederum kaum einer. Als Mann, der 60 Prozent arbeitet, ob mit Kindern oder ohne, wirst du immer wieder gefragt: Warum arbeitest du nicht 100 Prozent? Wo eigentlich die Gegenfrage viel plausibler wäre: Warum arbeitet ihr nicht weniger? Klar, in einem Teilzeitpensum Karriere zu machen, ist schwieriger, in gewissen Bereichen sogar unmöglich und man verdient weniger Geld. Aber wer hat denn eigentlich entschieden, dass das jetzt das Wichtigste ist für alle?
Zeit ist Geld, heisst es. Und die meisten verstehen darunter, dass man seine Zeit möglichst nutzen sollte, um Geld zu verdienen. Aber dass Zeit wertvoll ist und ergo luxuriös, Zeit für sich zu haben, diesen Umkehrschluss wollen viele nicht begreifen. Wir sprechen seit Jahren von der Work-Life-Balance, die Mehrheit versteht darunter jedoch, ausnahmsweise mal ein Wochenende keine Arbeit mit nach Hause zu nehmen. Derweil explodiert die Burn-Out-Quote, Depressionen und CEOs und Ex-CEOs von Grosskonzernen nehmen sich das Leben. Korrelation oder Kausalität?
Ich weiss, das ist alles kein bisschen fundiert, total unwissenschaftlich und überhaupt nicht belegt. Aber es ist so ein Gefühl. Und hin und wieder auf ein Gefühl zu hören, kann glaube ich nicht schaden. Ja, ich denke, es wäre für viele nicht schlecht, sie würden sich ab und an wieder einmal fragen: Hat die Arbeit in meinem Leben nicht zu viel Gewicht?