Wie bei der Firma Witzig geht auch das Versicherungsunternehmen Axa Winterthur das Thema Homeoffice offensiv an. Die Firma hat vor mehr als einem Jahrzehnt damit begonnen, bewusst auf flexible Arbeitsmodelle zu setzen. «Zuerst konzentrierten wir uns stark auf die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben nach der Familiengründung», sagt Yvonne Seitz, die den Bereich der Diversity & Employer Attractiveness mit aufgebaut hat und seit den Anfängen leitet. «Wir merkten aber rasch, dass dieser Fokus viel zu eng gefasst war.»
Die Möglichkeit, flexibler zu arbeiten, sowohl räumlich als auch zeitlich, sollte allen offenstehen: Egal, ob es darum ging, den Sohn vom Kindergarten abholen zu können, mittags Gitarrenstunden zu nehmen oder sich zwischendurch den langen Arbeitsweg zu sparen. Gerade zu Beginn brauchte es dabei Raum für Fragen und viele gute Beispiele. «Wir organisierten Podiumsdiskussionen und führten viele persönliche Gespräche», erzählt Seitz. Heute arbeitet rund ein Sechstel der 4000 Beschäftigten quer durch alle Hierarchiestufen regelmässig einen halben Tag pro Woche oder mehr von zu Hause aus. Sporadische Homeoffice-Tage machen sogar fast alle.
Homeoffice: Erwartungen klären
Der kontinuierliche Austausch ist eine der Grundlagen, damit flexible Arbeitsformen wie Homeoffice funktionieren, wie Seitz sagt. Vereinbarungen zwischen Mitarbeitenden und Vorgesetzten helfen zudem gegenseitige Erwartungen zu klären, etwa, was die Erreichbarkeit betrifft: Muss die Person, die von zu Hause aus arbeitet, ab Punkt 8 Uhr telefonisch erreichbar sein, weil sich Kunden melden könnten? Oder reicht es, wenn sie alle zwei Stunden in die Inbox schaut, weil sie konzentriert an einem Bericht schreiben möchte?
Die Voraussetzung aller Voraussetzungen aber, da ist man sich nicht nur bei der Axa einig: Vertrauen. Vertrauen, dass Leistung auch erbracht wird, wenn einem die Vorgesetzte nicht fortlaufend über die Schulter schaut. Vertrauen, dass bewegliche Arbeitsstrukturen nicht nur Arbeitnehmern, sondern auch Arbeitgebern dienen. Dass man Konkurrenten gegenüber im Vorteil ist, weil man als attraktiveres und moderneres Unternehmen angesehen wird. Dass man gute Mitarbeiter auf diese Weise nicht nur gewinnt, sondern auch halten kann, wenn sich deren Lebensumstände ändern. Dass nicht zuletzt die vielfältigen Perspektiven der Mitarbeitenden zurück in das Unternehmen und seine Produkte fliessen.
Doch selbst in Unternehmen, in denen Homeoffice heute üblich ist: Mehr als einen Morgen oder ein, zwei Tage pro Woche arbeiten nur wenige von zu Hause aus. Knapp drei Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung leisten gemäss Bundesamt für Statistik mehr als die Hälfte ihrer Arbeitszeit im Homeoffice.
Soziale Isolation droht
Das liegt nicht nur an Vorgesetzten, die ihre Mitarbeiter auch regelmässig im Büro antreffen möchten, oder an Arbeiten, die sich nicht zu Hause erledigen lassen. Oft sind es auch die temporären Teleheimarbeiter selbst, die nicht jeden Tag für sich alleine am Schreibtisch sitzen wollen. Selbst Fachleute raten vom täglichen Homeoffice eher ab und warnen vor sozialer Isolation und mangelnden Entwicklungsmöglichkeiten.
Auch Miriam Hunziker hätte nicht gedacht, dass sie einmal nur von zu Hause aus tätig sein würde. Die Aarauerin ist seit Langem in der Hotellerie tätig. Als sie 2016 schwanger wurde, arbeitete sie als Wochenaufenthalterin im Hotel Bernerhof in Gstaad, wo sie für die Personaladministration und organisatorische Aufgaben wie den Aufbau des Intranets zuständig war. Weil sie zurück nach Aarau wollte, reichte sie die Kündigung ein.
Sie verblieb mit ihrem früheren Arbeitgeber mit der losen Abmachung, auch von daheim aus weiterhin sporadische Arbeiten zu übernehmen. Aus der unverbindlichen Vereinbarung wurde jedoch rasch wieder ein 70-Prozent-Pensum, das einen grossen Teil ihrer früheren Tätigkeiten umfasst.