Liebe fürs Leben
Wenn er von seinem Sohn erzählt, spürt man diese Sanftheit. Es sei unglaublich schön, Zeit mit ihm zu verbringen und zu sehen, wie er zu einer eigenständigen Person heranwachse. Ramon beschönigt nichts. Der Anfang sei hart gewesen, unglaublich hart. Der Schlafmangel, die Fragen, die Überforderung. Und: das ständige Verhandeln. Für den Zürcher und seine Partnerin war klar, dass sie sich die Familienarbeit 50:50 teilen. Aus Überzeugung, Respekt vor der Arbeit des anderen und Liebe zum Kind. Ihr Leben als Künstler: innen ist für dieses Modell so hilfreich wie hinderlich. Das Fehlen von Strukturen schafft Flexibilität. «Niemand von uns muss um 8 Uhr im Büro sein.» Das bedeutet aber auch, dass das Paar selbst einen Rahmen definieren und diesen immer wieder neu abstecken musste. Vorbilder, bei denen man hätte abschauen können, gab es keine. Ramon und seine Partnerin waren die ersten in ihrem Künstler:innenFreundeskreis mit einem Kind. Auch davon, wie man eine Vaterrolle ausfüllt oder wie ein intaktes Familienleben sein könnte, hatte Ramon wenig klare Vorstellungen. Zu turbulent sei seine Kindheit und Jugend gewesen. «Wir mussten alles selbst herausfinden. Vieles ist uns gut gelungen.»
Fragt man Ramon heute, wie er trotz allem als Vater sein will, zögert er keine Sekunde mit der Antwort. «Wie mein Vater», sagt er. Sein Vater nahm sich Zeit und interessierte sich für seinen Sohn. Er sah Ramons sportliches Talent und liess ihn ausprobieren, wozu er Lust hatte. Er sah seine Kreativität und schuf Platz dafür. «Er ist früh gestorben, aber er hat mir, bis ich elf war, so viel Liebe mitgegeben, dass sie für den Rest meines Lebens reicht.»
Die Kunst der Abstriche
Für seinen eigenen Sohn will Ramon kein Vorbild sein. Weil er nicht viel von Vorbildern hält. Das Konzept ist ihm zu eng. Viel wichtiger findet er das Vorleben. Spricht er darüber, blitzt seine andere Seite, die Radikalität, durch: «Ich will, dass er sieht, dass mich meine Arbeit glücklich macht. Ich könnte es mir nie verzeihen, wenn ich über Jahre unzufrieden wäre und ihm dies vorleben würde.» Für dieses Glück, das er in der Kunst findet, ist Ramon bereit, Abstriche zu machen. Etwa bei der finanziellen Sicherheit. «Viele Menschen priorisieren finanzielle Stabilität und Sicherheit, sobald sie Kinder haben. Sie glauben, das sei das Wichtigste.» Seit er Vater ist, tut Ramon das Gegenteil: Er geht noch weniger Kompromisse ein. «Seit mein Sohn auf der Welt ist, versuche ich, noch mehr aus mir herauszuschöpfen.» Seine Entscheidungen seien klarer und manchmal radikaler – zugunsten seines Wohlbefindens.
Bereut hat er dies bisher noch nie: «Ich lebe heute mit meinem Sohn jenes Leben, das ich mir immer gewünscht hätte. Das Leben, das mein Vater auch mit mir gelebt hätte. Ich schöpfe alles aus. Dass ich diese Möglichkeit habe, dafür bin ich sehr dankbar.»