Was aber, wenn der Nachwuchs schüchtern ist? Dürfen Eltern nachhelfen und Spielgefährten nach Hause einladen? Ja, sagt Moritz Daum, aber Eltern sollten dabei sehr einfühlsam vorgehen. «Das Bedürfnis, sich zu verabreden, ist nicht bei jedem gleich ausgeprägt. Auf keinen Fall sollte man sein Kind dazu zwingen.» Viel wichtiger findet er, die Kreativität des Nachwuchses zu fördern und anzuleiten, wie man mit anderen spielt. Dies erhöhe auf indirektem Weg die Wahrscheinlichkeit von Freundschaften. «Denn Kinder, die viele Spielideen haben, sind beliebt bei anderen.» Marion Pothmann wiederum findet es wichtig, dass auch Eltern ein gutes soziales Netz pflegen und dies vorleben. «Kinder mit sozialen Schwierigkeiten haben nämlich oft Eltern mit ebenfalls wenig Kontakten.»
Und wenn man den Freund des Sohnes partout nicht mag? Dann sollten sich Eltern zunächst in Zurückhaltung üben und überlegen: «Gefährdet diese Freundschaft mein Kind? Bringt sie es in Schieflage?», sagt Daum. Tatsächlich sei dies nur selten der Fall und Eingreifen dann in Ordnung; ansonsten aber: sich entspannen und aushalten. Auch Pothmann würde zunächst abwarten: «Erst wenn mein Kind über mehrere Monate unterlegen ist, immer wieder sitzen gelassen wird und seine Fröhlichkeit verliert, würde ich eingreifen. Hier ist es wichtig, Kinder zu unterstützen und sie zu stärken, sich nicht von Freunden abhängig zu machen, die einem nicht guttun.»
Machen sich Eltern heute zu viele Gedanken über die Freunde ihrer Kinder? Früher, da ging man raus, und irgendwer fand sich zum Spielen, ganz ohne Verabredung. Heute hingegen arbeiten meist beide Eltern, die Kinder sind in der Betreuung. Treffen mit Gleichaltrigen werden per WhatsApp vereinbart – wegen Terminstress gerne Wochen im Voraus. Interessiert, anteilnehmend, aber auch übergriffig prüfen Erwachsene, mit wem sich der Nachwuchs anfreunden soll. «Früher sind Eltern vielleicht gelassener mit dem Thema umgegangen», meint Daum. «Heute jedoch ist auch die Gefahr der Vereinsamung grösser, gerade durch digitale Medien.» Reale Freundschaften, persönlicher Kontakt, das direkte Miteinander sind deshalb noch wichtiger, als sie es ohnehin schon immer waren. So zeigt eine amerikanische Studie: Kinder, die sich sehr viel in der digitalen Welt aufhalten, sind eher einsam und depressiv. Der direkte Kontakt mit Freunden hingegen wirkt da zum Teil wie ein Schutzfaktor.
«Insgesamt greifen Eltern heute stark in das Leben ihrer Kinder ein», findet Daum. Beim Thema Schulerfolg, frühe Förderung, aber auch bei Freunden. Mutter und Vater müssten dabei jedoch überlegen: Was ist mein Kind für ein Kind? Reicht ihm ein Freund? Braucht es auch Zeit für sich und ist damit ganz zufrieden? «Eltern sollten zugestehen, dass Freunde finden zur Persönlichkeitsentwicklung ihres Kindes gehört», sagt Daum. «So haben Tochter oder Sohn bei der Freundeauswahl vielleicht ganz andere Kriterien.» Verabrede sich ein Kind zwei Wochen lang nicht, gelte deshalb die Devise: Gelassen bleiben, nicht gleich eingreifen!
«Eltern glauben erstaunlich oft, dass ihr Kind keine Freunde hat und deshalb nicht glücklich werden könne», so Pothmann. Frage man hingegen das Kind, sage es meist: «Natürlich habe ich Freunde, so 10 bis 20.» «In den allermeisten Fällen besteht kein Grund zur Sorge», sagt die Hamburger Psychotherapeutin. «Nur sehr wenige Kinder sind wirklich einsam.»