Welche Rolle spielen die Frauen? Wollen sie überhaupt finanzielle Verantwortung übernehmen und dem Mann Anteile an Kindererziehung und Haushalt überlassen?
Es gibt einen Teil von Müttern, die Kinderbetreuung und Hausarbeit als ihre Domäne sehen und verteidigen. «Maternal gatekeeping» heisst der Fachausdruck dafür. Dann haben Väter kaum eine Chance, halbwegs vergleichbar kompetent zu werden in Betreuungs- und Erziehungsfragen. Aber: Das ist eine Minderheit. Die meisten Mütter – und vor allem auch die gut ausgebildeten Mütter, auf die der Arbeitsmarkt so begehrlich blickt – sind noch so froh, wenn der Mann ernst macht mit Gleichstellung und mehr Verantwortung für Familie und Kinder übernimmt. Ganz viele erbringen den Tatbeweis.
Und trotzdem bleibt ein grosser Teil der Hausarbeit und Kinderbetreuung an den Frauen hängen.
Ja, wenn man genau anschaut, was Männer zu Hause leisten, bleibt das Bild erstaunlich traditionell: Spielen mit dem Kind tun beide Eltern etwa gleich viel. Putzen, Einkaufen, Waschen oder auch das Daheimbleiben, wenn das Kind krank ist, ist Sache der Frauen. Ganz zu schweigen vom «Mental Load», das An-alles-Denken-Müssen. Viele Männer bleiben in der Rolle der Ausführenden und überlassen das Management immer noch gern ihren Frauen.
Was ist zu tun?
Ich empfehle allen Frauen, die das ändern wollen, nicht einzelne Aufgaben, sondern ganze Verantwortungsbereiche abzutreten. Das macht die Sache für Männer attraktiver, wenn sie in diesem Bereich ihre eigene Herangehensweise entwickeln können. Das bedingt aber natürlich schon, dass die Frau diese Verantwortung wirklich abgibt – und auch damit leben kann, wenn er anders an die Sache herangeht, als sie das gewohnt ist.
Was muss sich gesellschaftlich ändern?
Wir sind auf dem Weg, aber noch lange nicht am Ziel. Politisch sind Individualbesteuerung, Elternzeit und bezahlbare Krippenplätze die grossen Baustellen. Gesellschaftlich braucht es meines Erachtens mehr Ehrlichkeit und Pragmatismus: Lieber kleine Schritte tatsächlich gehen, als hehre Egalitätsideale aufzustellen, an denen man in der Praxis nur scheitern kann. Die Umsetzung des Verfassungsziels «tatsächliche Gleichstellung in allen Lebensbereichen» ist kein Selbstläufer.
Markus Theunert ist Gesamtleiter von männer.ch, Dachverband progressiver Schweizer Männer- und Väterorganisationen. Er lebt mit seiner Familie in Zürich und teilt sich die Kinderbetreuung mit seiner Frau.