Würde man eine erfolgreiche Karriere in der Marketing- und Kommunikationsbranche beschreiben, wäre jene von Florian eine ziemlich gute Vorlage. Der 47-Jährige hat erreicht, wovon viele träumen: BWL- sowie Medien- und Kommunikationsstudium an der Universität St. Gallen, Berufseinstieg bei einem internationalen Unternehmen, erfolgreiche Gründung, Aufbau und Leitung einer eigenen Agentur zwischen 2006 und 2015 im hippen Berlin – die Agentur besteht bis heute –, erfolgreicher Aufbau einer Agentur in Zürich und Leiter Brand und Creative bei der Art Basel. «Ich hatte immer tolle Stellen und habe gerne gearbeitet», erzählt Florian.
Trotzdem sitzt er heute nicht mehr in durchdesignten Büroräumen, sondern steht in Schulzimmern und bringt Kindern bei, wie man Bruch rechnet oder welche Wortarten es gibt. Florian ist Lehrer. Seit drei Jahren unterrichtet er an einer Primarschule in der Stadt Zürich, seit einem Jahr mit Diplom. Derzeit hat er mit einem Stellenpartner eine sechste Klasse.
Der Abschied aus der Medien- und Kommunikationsbranche war ein Prozess: «Ich fand mein Leben sehr cool. Vor einigen Jahren spürte ich aber immer mehr das Bedürfnis nach Veränderung.» Ein Auslöser war seine heute neunjährige Tochter. Als sie klein war, arbeitete Florian viel und pendelte von Zürich nach Basel. «Ich war oft weg und merkte, dass mich das stresst.» Immer häufiger dachte er am Sonntagabend: Puh, jetzt startet wieder so eine Woche. «All das, was mir so viele Jahre Freude bereitet hatte, erfüllte mich immer weniger.»
Mit Kindern zu arbeiten, damit liebäugelte der Zürcher immer mal wieder. «Ich alberte immer gerne mit Kindern und fand ihren Blick auf die Welt spannend.» Als der Götti seiner Tochter die Ausbildung zum Primarlehrer begann, war Florians Interesse geweckt. Er machte die Aufnahmeprüfung für die zweijährige Quereinsteigerausbildung und bestand. Bis zum Start vergingen noch eineinhalb Jahre. In dieser Zeit bekam er ein interessantes Angebot eines international renommierten Medienunternehmens. «Ich sagte mir: Das ist der letzte Test, ob dieses Agenturding noch zu mir passt.» Es passte nicht mehr.
Wenn Florian über seine Arbeit als Lehrer spricht, spürt man seine Begeisterung. Er strahlt, erzählt lebhaft und euphorisch. Er will nichts beschönigen. Die Ausbildungszeit war intensiv: «Wir kamen mit den Wochenend- und Abendkursen als Familie zeitlich an unsere Grenzen. Meine Frau musste viel auffangen, Ende des Monats war kein Geld mehr da, um etwas auf die Seite zu legen.» Zu wissen, dass dieser Zustand nur eine begrenzte Zeit anhalten würde, und das Gefühl, auf dem richtigen Weg zu sein, habe die Familie durchhalten lassen. Heute ist vieles anders: Florian arbeitet knapp 70 Prozent, hat mehr Zeit für seine Tochter und kann Unvorhergesehenes auffangen. «Meine Frau startet karrieremässig durch. Jetzt ist ihre Zeit.»
Seinen Wechsel hat Florian noch nie bereut. «Ich glaube, das ist meine Berufung.» Nur in einem Punkt trauert er seinem alten Leben manchmal hinterher. «Hin und wieder vermisse ich den aktiven, kreativen Austausch mit Menschen aus der Medien- und Kommunikationsbranche und das Unternehmerische. Aber wer weiss, vielleicht kann ich das ja irgendwann mit meiner Berufung kombinieren.»