Sven geht fremd
Sven* (45), 1 Kind (6) erzählt:
«Als Sozialarbeiter und reflektierter Mann fühlte ich mich eigentlich gut vorbereitet auf das Familiendasein: Ich las Bücher zur Vereinbarkeit und dachte, wer nicht gut in die Vaterschaft startet, ist einfach zu doof, sich rechtzeitig damit auseinanderzusetzen. Dennoch erwischte es mich auf dem falschen Fuss. Die Kindsmutter kannte ich noch nicht lange, als sie schwanger wurde. Klar war für uns, dass wir das Fair-Share-Modell wollten: Beide sollten gleich viel Zeit in Familien- und Erwerbsarbeit investieren. Ich mochte auf keinen Fall die traditionelle Rolle des Ernährers einnehmen.
Dennoch geriet ich von allen Seiten unter Druck. Finanziell wurde es eng und ich hatte Angst, ob ich als Vater genüge. Dann war da die Sorge, meine Autonomie zu verlieren. Ich führte bis anhin ein städtisches und unabhängiges Leben, machte, was ich wollte. Dann zog meine schwangere Partnerin in meine Dreizimmerwohnung, die ich zuvor allein bewohnt hatte. Plötzlich gab es keinen Rückzugsort mehr, keine Zeit und keinen Raum, wo ich auftanken konnte. Die Verlangsamung, die ich um die Geburt herum genossen hatte, stand auf einmal als einzige Perspektive vor mir. Ich hatte das Gefühl, mein Leben sei zu Ende und ich würde nie mehr tun können, was ich will. Ich spürte eine Lebensschwere, die sich vor allem in Gereiztheit und Aggressivität äusserte.
So guckte ich plötzlich am liebsten Actionfilme und las rebellische Literatur. Ich hatte das Bedürfnis nach einer Gegenwelt. Das ist ja an sich harmlos. Aber ich fing auch an, zu viel zu trinken und suchte Sex ausser Haus. Schon während der Schwangerschaft. Ich verfügte ja noch über Kontakte zu Affären aus meiner Zeit als Single und hatte einfach den Drang, einen Teil meines Junggesellen-Lebens weiterzuführen.
Sex und Kuschelnest zu Hause brachte ich nicht zusammen. Gleichzeitig ertrug sich das überhaupt nicht mit meinem Selbstbild. Ich finde ja selber, dass ein Vater, der seine schwangere Frau betrügt, ein Superarschloch ist. Man ist recht allein als betrügender Mann und es ist schwierig, mit dem schlechten Gewissen und dem Selbsthass umzugehen.
Meine Partnerin und ich hatten das Thema Sex ausgeklammert, sprachen nicht darüber und machten keine Abmachungen. Ich dachte, sie würde schon sagen, wenn sie klare Vorstellungen von Treue hat. Sie war der Ansicht, dass monogame Beziehungen die Norm seien und alles andere von mir angesprochen werden müsste. Als unsere Tochter eineinhalb Jahre alt war, kamen die Seitensprünge auf den Tisch. Für meine Partnerin war es traumatisch, wir gingen emotional durch die Hölle.
Mit einer vorübergehenden Trennung, Gesprächen mit Freunden, einer Paartherapie und Vertrauensaufbau fanden wir wieder zueinander. Den Preis bezahle ich bis heute mit Nulltoleranz, was Kontakte ausserhalb der Beziehung betrifft. Aber wir schafften es, das zerrissene Seil zwischen uns wieder zu verknüpfen: Der Knopf bleibt sicht- und spürbar – hält jetzt aber besonders gut.»
**Name von der Redaktion geändert*