Zählt so ein Parcours dann als «Bewegung» oder als «Sport»? Wo liegt der Unterschied?
Bewegung ist der Grundstein für den Sport. Bewegung, das ist laufen, springen, werfen. Rollen, klettern, toben. Im Gegensatz dazu hat Sport immer ein Ziel, also einen Ball über ein Netz schlagen, den Berg schnell oder geschickt hinunterfahren, einen Partner auf die Matte ringen.
Das heisst, Sport ist immer auch mit einem Wettkampf verbunden: Es geht um Punkte, Zeiten, Weiten – fast wie in der Schule. Erhöht Sport am Nachmittag nicht noch den Stress für die Kinder?
Im Gegenteil: Bewegung ist ausserdem ein ausgezeichnetes Mittel zur Minderung von Stress. Studien haben gezeigt, dass Kinder und Jugendliche, die im Verein Sport treiben, Schulstress besser aushalten können. Das Streitpotenzial geht insgesamt zurück, dadurch wird der Unterricht ruhiger und die Kinder sind ausgeglichener beim Lösen von Aufgaben.
In welchem Alter sollten sich Kinder denn auf eine bestimmte Sportart festlegen?
Erst ab 10 oder 11 Jahren. Davor sollte das Kind möglichst viele Sportarten ausprobieren dürfen und verschiedene Bewegungen kennenlernen. Dadurch werden Programme im Gehirn gespeichert, die bei ähnlichen Bewegungen immer wieder abgerufen werden. Vielseitigkeit bildet mehr athletische Fähigkeiten aus und macht flexibler. Ist etwa ein Kind schon einmal Rollschuh gelaufen, wird es mit grosser Wahrscheinlichkeit schneller Ski fahren lernen. Und der Umgang mit vielen verschiedenen Ballsportarten wird ein Leben lang helfen – egal ob beim Fussball, Tennis oder Golf.
Und mit welcher Sportart soll man am besten anfangen?
Turnen ist für mich die absolute Nummer eins für den Sporteinstieg. Kaum eine Sportart trainiert alle wichtigen motorischen Grundfertigkeiten – wie beispielsweise das Drehen um alle Körperachsen, Hangeln, Rollen oder Laufen – so gut wie das Turnen. Turnen ist eine perfekte Grundausbildung, auf die man später im Alltag und im Sport aufbauen kann. Leichtathletik ist auch ein sehr guter Einstiegssport, auch da wird ja viel gelaufen, gesprungen und geworfen. Und Schwimmen sollte sowieso jedes Kind lernen.
Es gibt Kinder, die wirklich nicht gerne Sport machen. Soll man solche Kinder trotzdem ins Fussballtraining schicken?
Es muss ja nicht immer Fussball sein! Klettern zum Beispiel ist ein wunderbarer Sport für Kinder. Draussen am Fels sowieso, aber auch in der Halle. Es schult in besonderem Masse die Kraft und Ausdauer – und stärkt das Vertrauen in sich und andere. Ich glaube, wenn Eltern das ganze Spektrum kindlicher Interessen ausnutzen, finden sie auch heraus, welches Talent in dem Kind steckt. Denn auch für den kleinen Dicken gibt es eine geeignete Sportart, man muss sie nur finden.
Welche Sportart könnte das denn sein?
Snowboarden, Skateboarden, Kajak fahren, Rudern... All das macht dem Jungen sicher mehr Spass, als zweimal pro Woche auf dem Fussballplatz zu stehen. Das Talent ihrer Kinder zu finden und zu fördern, halte ich für eine der wichtigsten Aufgaben von Eltern, auch im Hinblick auf ein langes, gesundes Leben.
Aber muss ein Kind überhaupt in einen Sportverein? Manche Kinder laufen zweimal am Tag einen Kilometer zur Schule und spielen nachmittags noch im Garten. Reicht das nicht an Bewegung?
Nein. Alltagsbewegung ist schön und gut, aber sie ersetzt nicht den Sport. Es ist für Kinder wichtig, auch mal an ihre körperlichen Grenzen zu gehen. Und das lernen sie heutzutage fast nur noch im Sportverein: Den eigenen Puls beim 50-m-Sprint mit 160 Schlägen zu spüren, ist ein Erlebnis, genau wie das Arbeiten der Muskulatur beim dritten Klimmzug.
Es ist auch gut, wenn Kinder und Jugendliche merken, dass man einen Handstand oder das Delphinschwimmen nicht an einem Tag lernt – und wie zufrieden es macht, wenn man es nach Monaten endlich kann.
Ganz zu schweigen von den sozialen und emotionalen Skills, die nur der Vereinssport vermittelt: Seine Rolle im Team finden, Fairplay zu spielen und mit Sieg und Niederlagen umzugehen. All das brauchen Kinder, um daran zu wachsen.
Gibt es auch No-Go-Sportarten für Kinder?
Bei Kindern sollte im Sport immer der Spass im Vordergrund stehen. Doch manche Sportarten wollen einfach keinen Spass machen. Vor allem nicht, wenn sie Kindern aufgezwungen werden. Ein klassisches Phänomen: Papa geht joggen, und weil es zeitlich passt, wird der Kleine direkt mit durch den Stadtwald gezerrt. Das beobachte ich ständig. Die ganz Kleinen dürfen dann noch mit dem Rad nebenherfahren. Sind sie etwas grösser, müssen sie wie Hunde nebenher hecheln. Das sollte nicht sein.
Gleiches gilt für Fahrradtouren. Sind diese moderat angesetzt mit ausreichend Pausen (zum Essen, Trinken, aber auch Spielen!), können sie Kindern Spass machen. Aber aus Erfahrung wissen wir: Wenn Kinder zu lange radeln oder gar spazieren sollen, wird ihnen langweilig. In der Folge quengeln sie und sind unzufrieden – und haben keine Lust mehr auf Sport. Gerade sehr sportliche Eltern laufen oft in diese Falle.
Manche Kinder gammeln am Wochenende einfach gerne im Pyjama herum. Ist es gesundheitlich problematisch, mal zwei Tage nicht aus dem Haus zu gehen?
Überhaupt nicht. Man kann auch gut und gerne mal für ein Wochenende fünf gerade sein lassen. Es sollte nur nicht jedes Wochenende vorkommen.