Ohne Whatsapp – aus Prinzip
Wie sieht es denn bei Levi mit dem Handy aus? Er hat eine begrenzte Bildschirmzeit, gewisse Inhalte sind geblockt, um 20.30 Uhr sind die Geräte auszuschalten, auch Whatsapp hat er nicht. Zum Personendatensammeln der Tech-Konzerne haben die beiden eine klare Linie: nicht mit uns!
Wir sprechen darüber, dass es auf Social Media gang und gäbe ist, Stellung zu beziehen, etwa zum Nahost-Konflikt. Selbst wenn man kaum einen Bezug oder viel Ahnung hat. Meyer, der sich in einem Interview mit dem Tages-Anzeiger schon dazu geäussert hat, schüttelt den Kopf: «Das ist kein Fussballspiel, bei dem ich entscheiden muss, für wen ich bin.» Wir sind uns einig: Manchmal ist es besser, zu sagen «das kann ich nicht einschätzen» als eine unfundierte Meinung hinauszuposaunen.
Das führt uns direkt zur grösseren Frage: Muss ich überhaupt ständig über alles Bescheid wissen?
Thomas Meyer findet: nein. «Warum immer informiert sein?» fragt er, «du machst die Welt ja nicht besser, indem du möglichst viele Informationen entgegennimmst und deswegen besorgt bist.» Er habe zum Beispiel bei seiner Mutter gesehen, wie sie das «Doomscrolling», also das exzessive Scrollen und sich Verlieren in Beiträgen, nach dem Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 nur noch weiter runterzog.
Der Planet explodiert – oder auch nicht
Wir sprechen auch über den Klimawandel: «Das Gefühl, der Planet explodiere, ist schon alt.» (Vater). «Es hat leider keine Vorteile, das Klima zu schützen.» (Sohn). «Die Kriege machen es auch nicht besser.» (Vater). «Ich mache alles, was ich kann.» (Sohn) «Es wird uns hart treffen.» (Vater).
Nach einer Weile resümiere ich augenzwinkernd: Wir finden uns also vorwiegend vernünftig und die Hölle sind die anderen, die destruktiv und töricht handeln sowie unempfänglich sind für Ratschläge. Wie gehen wir mit dieser Ohnmacht um? «Stöpsel in die Ohren», sagt Thomas Meyer. Und auch Levi bleibt nichts anderes als Resignation. Schade eigentlich, denn Mühe, die Perspektive anderer zu sehen, kann ich bei beiden nicht feststellen.
Wir beenden den offiziellen Teil und gehen zum Foto-Shooting über. Ich skizziere meine Bild-Motive, da Levi nicht mit dem Gesicht zu sehen sein soll. Levi selbst hat dabei eine zündende Idee: «Ich könnte ja auf Papis Schultern sitzen…»
Wir gehen hinunter zu Thomas’ Vespa hinter dem Haus, nehmen gleich den Abfall mit (Thomas erklärt, dass sie, da sie rezyklieren, kaum Hauskehricht haben) und testen die verschiedenen Möglichkeiten aus. Meyer senior führt aus, warum er seit November 2024 Reallehrer ist («Kinder sind das bessere Publikum») und dass ihm der kürzliche Aufstand der spanischen Bevölkerung gegen die Touristen gefällt.
Ein Quäntchen Vertrauen
Wir springen von einem Thema zum nächsten. Über nicht mehr rekonstruierbare Wege kommt das Gespräch auf die heilige Vorhaut. Levi führt kichernd aus, wie er in einem christlichen Magazin gelesen habe, dass sich die Vorhaut Jesu auch am Himmel manifestiere, in Saturns Ring. «Du bist also eher Atheist?» frage ich. «Ich glaube ich bin Anti-Christ», entgegnet er und ich muss lachen.
Dann fährt der Lieferant mit dem Essen heran, das sie sich bestellt haben, und ich verabschiede mich. Die beiden haben ausgemacht, gemeinsam die kuriose Zeichentrickserie «Rick & Morty» zu schauen. Ich beneide sie ein wenig dafür, dass sie damit erst am Anfang stehen und mache mich mit einem Gefühl der Verbundenheit auf den Heimweg.
Im Nachhinein ist es mir nicht ganz recht, aus diesem Austausch einen Text zu verfassen, auch wenn das von Anfang an meine Absicht war. Wäre ja irgendwie auch schön, wenn das einfach so hätte passieren können, ohne Ziel, denke ich mir. Nach Sorgen gesucht, ein Quäntchen Hoffnung gefunden und auch ein bisschen Vertrauen in die Menschheit (oder zumindest einen Teil davon) zurückgewonnen – es bräuchte mehr solcher Begegnungen.