Dass meine Kinder solch neugierige und unkomplizierte Esser sind, hat wohl drei Gründe. Erstens: Involvement. Sie konnten früh ein Verständnis dafür entwickeln, was es braucht, damit ein gutes Gericht entstehen kann. Sie kennen den Geschmack von Lorbeer und Hanföl, hatten beide schon rote Finger von Randen und gelbe von frischer Kurkuma und verwechseln schon mal Kefen mit Edamame. Zweitens: Erlebnis. Ich hatte niemals Hemmungen, meinen Kindern die Welt der Restaurants zu zeigen. Sie haben schon früh in der «Bodega Española» Tapas probiert, im Grand Hotel «homard à la presse» gegessen, beim Italiener in die Küche geschaut und sich beim Japaner im Stäbchenessen versucht. Drittens: keine Extrawürste. Früher wie heute wird dasselbe gekocht für alle Anwesenden.
Hinzu kommt das bereits erwähnte Storytelling, das heute ja nicht selten wichtiger scheint als der Genuss. Doch als jemand, der seinen Lebensunterhalt zu einem grossen Teil schreibenderweise verdient, weiss ich um die Wirkungskraft von Worten und Geschichten. Für mich ist klar: Die Feder ist nicht nur mächtiger als das Schwert, sondern auch als jedes Steakmesser.
Das Beste dabei ist: Kulinarisches Storytelling funktioniert in beide Richtungen! So reichen meist zwei, drei Bissen und ich erfahre das Wichtigste vom Schulalltag und von der Zeit, die meine Kinder nicht mit und bei mir verbringen. Es wird berichtet, gelacht, reklamiert und kommentiert; es kommt zu Gesprächen, Fragen, Diskussionen und manchmal auch zu Empörung oder Streit. Beim gemeinsamen Mahl kommt eben das pralle Leben auf den Tisch.
So kommt es, dass sich uns die Gerichte aus der Kindheit derart stark einprägen. Festtage und gemeinsames Kochen verstärken diesen Effekt noch. «Können wir wieder dasselbe machen wie letztes Jahr?», wurde ich vor Weihnachten gefragt. «Das war so fein!» Also briet meine Tochter Massamanpaste an und mörserte Erdnüsse, während mein Sohn Gemüse mit Austernsauce und Yuzusaft ablöschte und die Schmorzeit mit seiner Fitbit-Uhr im Auge behielt.
Ich würde mir wünschen, dass meine Kinder, wann immer sie an Weihnachten denken, den Duft unseres Menüs riechen können. Und dass vor ihrem geistigen Auge ein Bild auftaucht von uns dreien, wie wir gemeinsam kochen und essen, bis wir satt sind. Und überglücklich.