Raus aus dem «Hochsicherheitstrakt»
Das Training für die Welt draussen muss gewissermassen in den eigenen vier Wänden stattfinden. «Auch für überbehütete Kinder wird irgendwann der Moment kommen, in dem man sie aus dem heimischen ‹Hochsicherheitstrakt› herauslassen muss. Und dann haben sie die Erfahrungen nicht, die andere zu Hause schon machen konnten», sagt Felicitas Steiner. Wenn sich ein Kind nie oder nur mit viel Unterstützung auf das Schaukelpferdchen setzen durfte, ist die Chance, dass es sich auf der Spielplatzschaukel gut genug festhalten kann, kleiner als bei anderen Kindern.
«Draussen ist aber der Boden vielleicht härter und das Schaukelseil höher. Dann wird es wirklich gefährlich», meint Steiner. Ein Kind sollte man also auch zu Hause auf ein Sofa oder die Treppe hinaufklettern lassen, sagt Ursula Zürcher, «und am besten bringt man ihm auch bei, wie es wieder herunterkommt.» Gerade diejenigen, die Erfahrungen sammeln durften, hätten oft ein sehr gutes Körpergefühl. Dabei sind die Eltern die wichtigsten Vorbilder – auch in Sachen Sicherheit. «Diese Rolle ist vielen Eltern nicht sehr bewusst», sagt Entwicklungspädiaterin Steiner, «aber wie ich mit Messern, einer offenen Flamme, einer Kerze umgehe, prägen sich die Kinder ein.»
Auf Besuch ist alles anders
Die eigene Wohnung hat man irgendwann kindertauglich umgestellt, doch sieht alles wieder anders aus, wenn man auf Besuch ist – vor allem in einem Haushalt, der nicht für kleine Kinder eingerichtet ist. «Es lohnt sich, sich in einer fremden Wohnung kurz zu überlegen, wo Gefahren lauern», empfiehlt die Mütterberaterin. So würden es Eltern schaffen, sich auf Besuch besser zu entspannen.
Wie sehr sich ein Kind überhaupt in Gefahr begibt, hängt vor allem vom Typ und Temperament ab. Die Bandbreite ist gross. «Es ist sehr unterschiedlich, wie gut Kinder ihre eigenen Fähigkeiten einschätzen. Es gibt Kinder, die sich ein oder zweimal wehtun und nachher Respekt davor haben», sagt Kinderärztin Felicitas Steiner, «und bei anderen hat man den Eindruck, die lernen es nie. Auch das gehört dazu, das sind einfach unterschiedliche Kinder.»
Allen Babys gemeinsam ist die Neugier. Und da ist manchmal einfach ein «Nein» nötig. Aber auch hier ist es sehr unterschiedlich, wie das Kind reagiert. «Ich bin überzeugt, dass jedes normal entwickelte einjährige Kind weiss, was Nein bedeutet», sagt Steiner, «ob es das Nein dann auch akzeptiert, ist eine andere Frage.» Manche Kinder verunsichert es, wenn ihnen ständig alles verboten wird. Oft siegt dann ihr Forschergeist – natürlich zum erneuten Unwillen der Eltern. Da bleibt nur eins: «Man sollte nicht nur verbieten, sondern jeweils einen Ersatz finden. Ein Einjähriges kann man auch für eine andere Beschäftigung gewinnen», sagt Felicitas Steiner.
NÜTZLICHE LINKS