Wir wollen noch mehr Meer, aber auch Mensch und Kultur. Darum machen wir uns auf den Weg weg von touristischen Stränden ins Landesinnere. Doch was wir da zu sehen bekommen, bringt uns, wenn auch nur ein kleines bisschen, dem näher, was wir primär aus Zeitungsberichten und Nachrichten zu wissen glauben. Es sind Mahnmale des Balkankrieges, zerschossene Fassaden von öffentlichen Gebäuden, in denen schon lange wieder kommunale Politik gemacht wird. Ruinen von zerbombten Gebäuden, die neben den neu gebauten Einfamilienhäusern stehen gelassen worden sind. Weil der Wille oder das Geld fehlen, die Ruinen zu entfernen? Weil nie in Vergessenheit geraten soll, was war, noch vor wenigen Jahren, als Nachbarn und Freunde zu Todfeinden wurden und die ganze Welt zuschaute? Wir wissen es nicht, denn wir sprechen die Landessprache nicht. Und ja, wahrscheinlich hätten wir uns nicht getraut anzuhalten, die Menschen, die in den Gärten die Erde locker hacken und die Kühe auf die Weide treiben zu fragen, wie es war, hier, das Leben, in diesem Krieg, damals. Und wir merken, dass wir zu wenig wissen, um unseren Kindern zu erklären, worum es eigentlich genau gegangen war. Und irgendwie fühlen wir uns nicht gut dabei.
Wir sind schon viel rumgereist, in unserem gemeinsamen und in unseren vorherigen Leben. Diese Camperferien aber sind anders, entschleunigt, speziell. Wir haben alle Zeit der Welt, müssen nie irgendwann wo sein. Wir können einfach sein, abschalten, geniessen. Wir sind in den Nationalpark an den Plitvicer Seen gefahren, in dem mein Mann seine Kindheitsträume von Winnetou und Old Shatterhand und dem Schatz am Silbersee wiederfinden will, nur um dann in Touristenbussen rumgekarrt und zwei Stunden zur Wanderung an silberblauen Seen entlang verdammt zu werden und zu erfahren, dass der Schatz am Silbersee grossmehrheitlich an einem ganz anderen Ort in Kroatien gedreht worden war. Wir schauen durch die Scheiben dem Regen zu, der an einem Tag über das Land fegt und manchen Camper im Schlamm versinken lässt. Und ja: Als wir eben an diesem Strand auf der Insel Pag ankommen, dort, wo sich der Ausdruck Paradies in meinen Kopf einschleicht und sich genüsslich breit macht, kann uns eh nichts mehr was. Wir baden, essen leckerste kroatische Köstlichkeiten wie Pljeskavica gefüllt mit Schafskäse vom Grill oder Dolma, gefülltes Gemüse. Wir erleben Menschen, die lachend und tröstend auf brüllende Kinder reagieren und nicht befremdet gucken. Wir sehen bunte Märkte, lebende Kraken in Verkaufstheken. Und wir machen uns auf den Weg weg vom Paradies, als die Zeit zu drängen beginnt, der Job auf uns wartet, auf eine lange, triste Heimfahrt, zurück in den Regen, aus dem wir gekommen waren. Wir werden wieder losfahren mit dem Camper, solange er es noch macht, mit seinen stolzen 17 Jahren. Vielleicht diesmal gegen Schweden. Und vielleicht sehen wir dort Bären.