Autonomie fördern
Aber nicht nur die Kinder, auch wir Erwachsenen müssen den Umgang mit der Angst der Kinder erst lernen. Und das fällt nicht immer leicht. «Eltern können ängstliche Kinder unterstützen, indem sie deren Selbstwirksamkeit, Selbstvertrauen und Autonomie fördern. Generell ist bei Ängsten wichtig, dass man erst überprüft, wie begründet sie sind. Wenn das Kind nicht in Gefahr ist, kann man mit ihm über die Funktion der Angst sprechen und mit ihm üben, sich der Angst in kleinen Schritten zu stellen. Denn Vermeidung macht die Angst nur grösser. Im Vorfeld sollte man zusammen mit dem Kind schauen, welche Unterstützung es dazu braucht», sagt Ina Blanc. «Bei kleineren Kindern ist es oft wirkungsvoll, ihre Vorstellungskraft zu nutzen und die angstauslösenden Fantasiebilder in lustige zu verwandeln. Dazu können Eltern zum Beispiel gemeinsam mit dem Nachwuchs eine Gutenachtgeschichte erfinden. Der Ausgang können Fragen sein, wie etwa: Warum hat sich denn das Monster unter dem Bett versteckt? Meinst du, es fürchtet die Dunkelheit genauso wie du?», regt Blanc an. Bei älteren Mädchen und Buben könne hier ein Realitätscheck helfen: «Licht anmachen und unter dem Bett nachschauen.»
Ebenso plötzlich wie die Entwicklungsschritte eines Kindes kommen auch die Ängste. Eine plötzliche Angst vor tiefem Wasser etwa, die den Zehnjährigen davon abhält, in den See zu springen, an dem die Familie viel Zeit verbringt, und den das Kind kennt, seit es klein ist. «Es gibt keine Entwicklung ohne Widerspruch», sagt Jan-Uwe Rogge. «Aber für viele Eltern ist es schwierig, sich in Entwicklungsprozesse hineinzuversetzen.» Die Herausforderungen, die etwa ein anstehender Schulwechsel mit sich bringt, die Veränderungen, mit denen sich Kinder in der Pubertät auseinandersetzen müssen – all das schürt auch bei grösseren Mädchen und Buben neue Ängste. «Angst hat nichts mit dem Alter zu tun», fasst Rogge zusammen.
Ehrlich sein
Und das stellen wir fest, wenn wir selbst uns fürchten. Etwa, wenn wir an der Decke plötzlich eine Spinne entdecken. Und jetzt ? Weglaufen oder so tun, als seien wir tapfer ? «Wenn ich selbst Angst habe, kann ich meinem Kind nicht sagen, dass ich ganz stark bin. Das merkt das Kind an meiner Stimme, an meinem Gesichtsausdruck, an meiner Gestik und Mimik», erklärt Jan-Uwe Rogge. «Wenn ich jetzt versuche, ein Held zu sein, ist das ein Widerspruch und damit können Kinder nicht umgehen.» Ehrlich währt hier darum am längsten – ebenso wie das Reden über die Angst. «Wichtig ist es, mit den Kindern darüber nachzudenken, welche Techniken der Angstverarbeitung sie haben», rät Rogge. Das kann ein Glücksbringer sein, der beim Gang in den Kindergarten Sicherheit gibt oder ein Ritual, etwa der abendliche Gang durch das Kinderzimmer, um gemeinsam unter Betten und in Schränken zu schauen, damit sich dort keine Monster verstecken können.