Miriam war Mitte dreissig, als bei ihr die Sehnsucht nach einem eigenen Kind aufkeimte. Ihr damaliger Partner hatte bereits Kinder und wollte keine mehr. Das Dilemma schmerzte. Über Monate hinweg kämpfte Miriam gegen den Kinderwunsch an. Versuchte, sich selber mit rationalen Argumenten zu überlisten. Das Leben, redete sie sich ein, ist doch auch ohne ein eigenes Kind lebenswert. Aber alles Verdrängen und Schönreden nützte nichts, die innere Stimme war stärker. Miriam trennte sich von ihrem Partner.
Doch die Idealvorstellung, bald einen potenziellen Vater kennenzulernen und mit denselben Ideen von Familie und Erziehung in die Zukunft abzuheben, erfüllte sich nicht. Lange zuwarten aber, ging auch nicht, die Zeit drängte.
Jetzt sitzt die 45-Jährige entspannt an ihrem Küchentisch, vor den Fenstern kauern alte Bauernhäuser in einem idyllischen Quartier im ländlichen Aargau. An der Wand hängen bunte Zeichnungen von Sofia*, mittlerweile 4-jährig. Das Mädchen ist für ein paar Stunden bei den Grosseltern, sie wohnen einen Steinwurf entfernt. So kann Miriam in Ruhe erzählen. Davon, wie sie damals von einer Freundin erfuhr, dass es möglich ist, durch Samenspende Mutter zu werden. Auch ohne Partner. Die Idee, es selber zu versuchen, sei über zwei Jahre hinweg gereift. Solange bis der gesellschaftliche Druck überwunden, die eigenen Zweifel abgeschüttelt waren. Bis der Gedanke zur Realität wurde. Miriam blickt das Gegenüber während des Erzählens mit offenen Augen an, wählt ihre Worte mit Bedacht.
Nach zahlreichen Gesprächen mit anderen Single Moms, und kurz vor ihrem 40. Geburtstag, wählte Miriam eine dänische Kinderwunschklinik, die mit verschiedenen Samenbanken zusammenarbeitet. Sie entschied sich für die European Sperm Bank. Und scrollte sich zu Hause durch die Profile von möglichen Spendern. «Zugegeben, das mutete schon etwas komisch an», sagt Miriam rückblickend und lächelt. Sie klickte auf die Option «Volles Profil» – und schon ploppten für sie 20-seitige Dossiers auf mit dem Stammbaum des jeweiligen Spenders, seinen physischen Merkmalen, Augenfarbe, Beruf und Krankheiten. Bei einem der Profile spürt sie dieses warme Bauchgefühl und wusste intuitiv: Das ist er. Miriam hat sich für eine nicht anonymisierte Samenspende entschieden. Das ist ihr wichtig. So kann ihr Kind dereinst mit 18 Jahren alle Daten seines biologischen Vaters anfordern. Wenn er mitmacht, darf es ihn treffen.
Informiert über ihren Entscheid hat Miriam ausser ihren Bruder niemanden. Zu sehr befürchtete sie Reaktionen, die ihren aus tiefstem Herzen getroffenen Entscheid nicht respektieren würden. Zu viele Stimmen in ihrem Umfeld versuchten sie auszubremsen. Bedrängten sie mit Urteilen wie: Zu einer Familie gehören Vater und Mutter. Oder: Wie willst du das schaffen? Finanziell, zeitlich, psychisch? Du wirst dauernd unter Strom stehen! Solche Zweifler brauchte Miriam nicht auch noch von aussen. Sie hatte genug eigene Fragen: Habe ich ein ausreichend starkes Netzwerk? Kann ich ein Kind finanziell tragen? Job und Familie vereinbaren? «Ich ging alle Notfallszenarien durch. Erst als ich sicher war, wagte ich die entscheidenden Schritte.»