Es ist eng, in dem Schulbus. Etwa 15 Kinder mit Schultheks und Turnsäckli sitzen dichtgedrängt nebeneinander. Kinder vom Kindergarten bis zur 6. Klasse der Berggemeinde Romoos (LU). Es wird geschubst, gelacht, geknufft. Und es ist laut. Die Kinder werden in verschiedene Weiler nach Hause gefahren. Die Strecke ist ganz schön steil und kurvig. Immer wieder hält der Bus und lässt Kinder aussteigen. «Tschüss und e Guete», ruft die Busfahrerin hinterher. Es ist Mittagszeit.
Im Bus sitzt auch Linus Vogel. Linus ist 10 Jahre alt und geht in die 5. Klasse. Für ihn ist bei der «Schwändi» Endstation. Doch zu Hause ist er noch lange nicht. Der Bauernhof der Familie Vogel liegt oben, auf einem Hügel im Napfgebiet. Linus steigt einen kleinen Pfad empor zu einem grauen Betongebäude. Er macht die Tür auf. Da hängt sie in den Seilen, bereit für ihren Fahrgast: Die Seilbahn Schwändi–Ober Länggrat, eine kleine, blaue Pendelbahn, Platz für vier Personen oder 350 Kilo, mit gelben Gepäckhaltern vorn und hinten. Linus fährt jeden Tag zweimal mit der Seilbahn, einmal runter, einmal rauf. Für den Schulweg ins Dorf überwindet er insgesamt rund 400 Höhenmeter.
Seilbahn in Schräglage
Der Bub steigt ein, nimmt den Telefonhörer von der Halterung an der Kabinenwand und betätigt eine Kurbel. «Jetzt läutet die Glocke oben in der Bergstation», sagt er. Und spricht auch schon in den Hörer: «Hallo Päuli, ich bin parat.» Kaum hat er den Hörer eingehängt, ruckelt die Bahn los. Nach ein paar schwingenden Bewegungen macht sie sich gemächlich auf den 1270 Meter langen Weg. Linus lehnt sich zurück. Es ist ruhig, still schon fast. Nur das Surren der Seile ist zu hören. Und die Bahn schwebt höher und höher. Nicht ein bisschen unheimlich? «Nein, gar nicht», sagt er. Was macht er, wenn er allein ist auf dem Weg nach oben? «Ein bisschen Nachdenken halt. Meist schaue ich, ob ich Tiere sehe.»
Die Bahn quert die Schlucht Goldbachgraben in bis zu 250 Metern Höhe. Weit unten wiegen sich die Gipfel der Tannen. Kühe weiden auf einer Wiese, zwischen den Bergen und den Wäldern hängen Nebelfetzen. «Manchmal ist es etwas langweilig. Als die anderen noch mitfuhren, wars lustiger », sagt Linus. Die anderen, das sind Nachbarskinder und seine Schwestern Julia (13) und Carolin (15). Sie alle gehen jetzt in die Oberstufe, manche nach Wolhusen, Julia und Carolin nach Willisau, in die Kantonsschule. Sie «seilen» zu anderen Tageszeiten, wie man hier das Seilbahnfahren nennt.
Manchmal sehe er Rehe und Gemschi, erzählt Linus auf dem Weg nach oben. «Spannend wirds, wenn es stark windet. Dann schaukelts, und manchmal fährt die Gondel in Schräglage, dann muss man einfach auf die andere Seite rutschen, damit sie wieder gerader hängt.» Lässig findet er es auch, wenn sich hohe Bäume im Wind biegen und die Äste die Kabine streifen.
Heute ist windstill.
Die Seilbahn ist angekommen, fährt in die Bergstation ein. Linus begrüsst Paula «Päuli» Kammermann. Sie betreibt die Seilbahn gemeinsam mit ihrem Mann Fritz. Die Bahn wurde 1962 für den Schülertransport gebaut, damals, als man die Aussenschulen in diesem Gebiet dicht machte und es noch keine Zufahrtswege gab.