Da Migräne auch vererbt werden kann, fragt der Neurologe jeweils auch die Eltern, ob sie selbst darunter leiden. Und: In manchen Fällen haben Kinder nicht Migräne, sondern Spannungskopfschmerzen – etwa, wenn ein nicht entdecktes ADHS vorliegt und das Kind deshalb im Alltag ständig überfordert ist. «Dann braucht es auch eine Veränderung in der Alltagsstruktur, in der Schule oder zu Hause, und nicht nur ein Schmerzmittel», sagt Iff. Spannungskopfschmerzen von Migräne zu unterscheiden, sei nicht immer ganz einfach, da viele Betroffene an beidem leiden, erklärt er. Während die Intensität bei Migräne per Definition mittel bis stark ist, ist sie bei Spannungskopfschmerzen nur leicht bis mittelstark. Und meist fehlt beim Spannungskopfschmerz die für Migräne typische Lichtund Lärmempfindlichkeit. Auch werden Spannungskopfschmerzen durch körperliche Aktivität nicht verstärkt, im Gegenteil: Bewegung kann hier sogar hilfreich sein.
Damit die Migräne nicht chronisch wird, ist es wichtig, Migräneanfälle bei Kindern früh und wirksam zu behandeln. Im Akutfall können nicht rezeptpflichtige Schmerzmittel eingesetzt werden – bevorzugt Ibuprofen, da es entzündungshemmend ist und in der Regel besser wirkt als Paracetamol. Ab einem Alter von zwölf Jahren kann ein Triptan-Nasenspray verwendet werden – das einzige spezifische Migränemittel, das bereits für Kinder zugelassen ist. Wichtig ist jedoch, Schmerzmittel nicht an mehr als zehn Tagen pro Monat einzunehmen, denn ein Übergebrauch kann selbst Kopfschmerzen auslösen oder verstärken.
Treten drei bis vier schwere Anfälle pro Monat oder mehr auf, sollten eine Kinderärztin oder ein Kinderneurologe aufgesucht werden, um zusätzlich eine vorbeugende Behandlung zu finden, die passt. Laut Iff können bei rund der Hälfte der Betroffenen Magnesium und hoch dosiertes Vitamin B2 (Riboflavin) die Häufigkeit und Stärke von Migräneattacken verringern. Wichtig sind auch einfache Lifestyle-Massnahmen wie genügend trinken, regelmässig schlafen und essen, Ausdauersport treiben.
Wirkt das allein nicht, stehen verschiedene verschreibungspflichtige Medikamente zur Verfügung – darunter Betablocker oder Antiepileptika, die teilweise off-label eingesetzt werden und manchmal mit Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Gewichtszunahme oder Konzentrationsstörungen verbunden sind. «Bis eine passende Behandlung gefunden ist, muss Verschiedenes ausprobiert werden, jeweils während mehrerer Monate. Für Betroffene und ihre Eltern kann das sehr belastend sein.» Laut Iff sind in der Schweiz rund 10 bis 12 Prozent der Kinder und Jugendlichen von episodischer Migräne betroffen. An der chronischen Form mit Kopfschmerzen an mindestens 15 Tagen im Monat leiden etwa ein bis zwei Prozent. Er betont: «Migräne ist nicht einfach ein bisschen Kopfweh, sondern eine neurologische Erkrankung, die den schulischen und sozialen Alltag eines jungen Menschen stark prägen und in manchen Fällen das ganze Leben überschatten kann. Man muss den Schmerz der Kinder immer ernst nehmen.»