Während der ersten Tage nach Noels Geburt fragte ich mich oft, ob die Intensivstation der Neonatologie der beste oder schrecklichste Ort war, an dem ich mich jemals wiederfand.
Ein Raum voller Technik, voller Emotionen. Vier Isoletten standen in unserer Koje in nicht allzu grosser Distanz zueinander. Darin je ein klitzekleiner Bub. Hinter jedem Plätzchen ein Monitor, neben dem Bett eine Beatmungsmaschine. Über der Technik prangten Mitbringsel für die Babys: Karten, Zeichnungen, Stofftiere. Der Geräuschpegel war oft laut: Eltern, die sich mit Spezialist* innen austauschten, Alarme, professionelle Milchpumpen, das Brummen der Apparaturen. Notfälle waren an der Tagesordnung. Dann kam ich mir jeweils vor, als würde ich einem Autounfall zusehen. Mit meinem Baby auf der Brust. Im Wissen darum, dass mein Kind genau gleich gefährlich unterwegs war.
Trotzdem harrte ich vor dieser Isolette aus, die mit dem Namen unseres Kindes beschriftet war. Ich steckte meine Hand durch eine kleine Luke und liess mir von einer Pflegenden erklären, wie ich den mit einer Windel bekleideten Winzling darin berühren konnte, ohne ihm Schmerzen zuzufügen. Ich schaute den verkabelten Embryo an und fühlte keinen rosa Mama-Kind-Moment. Im Gegenteil!
Gefühle von Trauer, Scham und Angst
Ich schämte mich, war in Trauer und Überforderung versunken. Und ich fühlte eine Angst, wie ich sie zuvor noch nie aushalten musste: Würden wir Entscheidungen für dieses Kind treffen müssen, das aus meinem Bauch heraus gerettet wurde, das ich aber trotzdem nicht kannte? Würde Noel der Belastung standhalten? Was würde er die nächsten Wochen alles aushalten müssen? Meine Hände «begrenzten» seinen sich nicht bewegenden Körper, leise summte ich ihm ein Lied vor – so, wie es mir die Pflege vorgeschlagen hatte.
Während dieser ersten Stunden schloss ich einen Pakt mit Noel: «Egal, welchen Weg du für dich wählst – den in den Himmel oder den zu uns nach Hause– wir werden dich begleiten.» Unter einer Bedingung: Er sollte seinen Weg bestimmt und zielsicher einschlagen.