Die schönen Bilder aus der Werbung sind alle gefakt – ist das richtig oder falsch?», fragt Alea Steiner. Um die Workshopleiterin haben sich 22 Jugendliche gruppiert. Sie sind zwischen 14 und 16 Jahre alt und müssen nicht lange überlegen: 18 stellen sich auf die linke Seite zu «Ja». Vier können sich nicht entscheiden und bleiben in der Mitte stehen. Niemand reiht sich bei «Nein» ein. «Ui, das ging schnell!», ruft Steiner. «War ja auch einfach», entgegnet ein Junge im weiten Hoodie, «ist doch klar, dass in der Werbung alles fake ist.» «Na ja», meint ein Mädchen, das unentschlossen in der Mitte stehen geblieben ist. «Alles vielleicht doch nicht. Oder?»
«Bodytalk» heisst der Workshop, der für die dritte Oberstufenklasse der Bezirksschule Turgi auf dem Stundenplan steht. Es ist ein Präventionsangebot des Inselspitals Bern, unterstützt von Kanton und Bund. Statt mit binomischen Formeln beschäftigen sich die zwölf Mädchen und zehn Jungen heute mit Körperbildern. Die Jugendlichen gehören einer Generation an, die von klein auf immer wieder eingetrichtert bekam «Alle Körper sind schön!». Gleichzeitig sind sie im Alltag permanent mit perfekten Körpern konfrontiert – durch Werbung und soziale Medien. Wie sehr sie dies beeinflusst, wird sich im Laufe des Workshops zeigen. Die nächsten zwei Stunden sollen dazu anregen, den eigenen Körper zu akzeptieren, wie er ist, und mehr auf das Körperempfinden zu achten, anstatt nur aufs Aussehen.
Eltern können früh die Weichen stellen
Doch idealerweise beginnt man mit dieser Sensibilisierung nicht erst in der Pubertät, sondern bereits in frühester Kindheit, findet Brigitte Rychen. Sie leitet die Fachstelle PEP (Prävention Essstörungen Praxisnah), die den Workshop anbietet. «Eltern können hier gezielt früh Weichen stellen.» Beispielsweise, indem sie ihr Kind nicht mit anderen vergleichen. Überhaupt rät Rychen, den Körper nicht auf Äusserlichkeiten zu reduzieren, sondern ihn als Wunderwerk anzuschauen und zu betonen, was dieser alles kann.
Auch Einordnen sei wichtig. Bei normschönen Disney-Prinzessinnen mit Wespentaille dürfe man das Kind ruhig fragen: «Meinst du, Menschen sehen wirklich so aus?» Gleichzeitig sollte man Barbie & Co. nicht aus dem Kinderzimmer verbannen, wenn der Nachwuchs gerne damit spielt. Aber darüber reden («In echt könnte Barbie mit solchen Füssen gar nicht laufen»). Und vor allem als Eltern einen freundlichen Umgang mit sich selbst an den Tag legen – sonst werden schon von kleinen Kindern jegliche Beteuerungen im Stil von «alle sind schön» nicht mehr für voll genommen. Gleichzeitig sollten Kinder ihre Eltern als authentische Verhaltensvorbilder erleben, die auch nicht immer mit sich zufrieden sind. Eltern dürfen also auch mal Sätze sagen wie: «Mich nervt mein Bauch.» «Wichtig ist jedoch, dass das Ganze mit Toleranz und Humor geschieht», findet Brigitte Rychen. Erscheinen Eltern hingegen dauernd unzufrieden mit ihrer Figur, wirke sich dies negativ auf den Nachwuchs und dessen Körpergefühl aus.
Wenig essen soll nicht belohnt werden
Auch den Genuss am Essen gelte es von klein auf zu fördern. Dabei müssen nicht nonstop gesunde Gerichte auf dem Tisch landen, Fast Food darf zwischendurch auch mal sein. Generell sollte man Lebensmittel nicht in gesund und ungesund einteilen, findet Rychen. Aber noch viel wichtiger sei: niemals den Nachwuchs belohnen, wenn er absichtlich weniger isst – auch nicht Kinder, die etwas pummelig sind. «Haben Eltern das Gefühl, ihr Kind habe eine Essstörung, dann lieber schnell fachliche Begleitung suchen, denn das Thema wächst Eltern rasch über den Kopf. Es gibt immer mehr Kinder, die bereits vor der Pubertät in eine Essstörung rutschen», warnt Rychen.
Tiktok und Instagram so spät wie möglich
Ausserdem sollten Eltern den Spass an der Bewegung fördern, Kinder draussen spielen lassen, ihnen den Schulweg alleine zutrauen. Und vor allem genau überlegen, wann Sohn oder Tochter ihr erstes Handy bekommen. «Je früher Kinder die Möglichkeit haben, auf Tiktok und Instagram zu surfen, desto früher werden sie mit unrealistischen Schönheitsidealen konfrontiert», gibt Brigitte Rychen zu bedenken. Bei älteren Kindern sei es zudem wichtig, Interesse zu zeigen, zu schauen: Was genau sehen sie sich an? Dabei sollte man vermeiden, pauschal zu verurteilen («Solche Bilder schaden dir nur!»), sondern lieber nachhaken: «Warum gefällt dir das?»