Darum gibt es Eltern, die Facebook und Co. vehement ablehnen. «Ich finde es erschreckend, wie viele Informationen über einen gesammelt werden. Aus diesem Grund bin ich weder auf Facebook noch auf Instagram», erzählt Hang Chu, 37, Kauffrau und Mutter von zwei Kindern. Und seit der 36-jährige Michael Koch (Name geändert), Wirtschaftsinformatiker und Vater eines Sohnes, eine Weiterbildung zu Datensicherheit im Internet gemacht hat, versendet er Kinderfotos kaum mehr über Whatsapp, sondern nur noch über Airdrop.
Kinderfotos im Netz: Kinder haben Rechte
Andere Eltern stellen die Perspektive ihrer Kinder in den Vordergrund: «Mittlerweile ist mein Sohn acht Jahre alt. Er ist eine eigenständige Person und hat seine Kollegen, die Posts sehen und Sachen lesen können. Als Baby konnte ich problemlos über ihn schreiben. Heute finde ich den Gedanken, ihn für meine Interessen zu exponieren, sehr unangenehm. Deshalb möchte ich auch nichts von ihm posten», sagt Autorin Michèle Roten (40).
Auch Katrin Messerli (29), die auf Instagram regelmässig Einblicke in ihr Leben als dreifache Mutter und Studentin postet, findet: «Ich hätte mich als Kind nicht darüber gefreut, wenn meine Schulkameraden auf dem Instagram-Profil meiner Mutter Babyfotos von mir gefunden hätten. Noch schlimmer wären peinliche Bilder gewesen. Damit dies nicht geschieht, zeige ich die Gesichter meiner Kids auf meinem Instagram-Profil nicht.»
Tatsächlich ist Sharenting stets ein Fall für zwei: Für die Postende und den oder die Gepostete. Doch viel zu oft blenden Eltern den Willen der Kinder aus, befindet Kinderanwältin Rita Jedelhauser. Dabei äusserten Kinder «bereits im Alter von sechs bis sieben Jahren, was sie gegenüber einer Aufnahme empfinden. Sie nehmen Bilder als ‹peinlich› wahr (Mutter küsst ihren Sohn), als ‹schön› (Mädchen in Rückenansicht schaut auf See) oder ‹cool› (Junge füttert Riesenschildkröte)».
Auch wenn Kindeswille und Kindeswohl bekanntlich nicht ganz dasselbe sind, sonst hätten sich Generationen von Kindern von Gummibärchen und Schokolade ernährt: «Mit Eintritt in die Primarschule ist von der Urteilsfähigkeit der Kinder auszugehen und die Kinder damit aktiv mit einzubeziehen, wenn Informationen über sie veröffentlicht werden sollen.»