Und konkret?
Wir arbeiten nach dem 3-Schritte-Modell: Verstehen – Fördern – Fordern. Zuerst will ich verstehen, was beim Kind der Auslöser für den bestehenden Konflikt ist. Warum benimmt es sich sozial unerwünscht? Was ist typisch für ein bestimmtes Alter? Erst, wenn ich es verstehe, kann ich das Kind gezielt fördern. Beim Fördern wiederum bekämpfen wir nicht in erster Linie die Schwächen, sondern achten auf die Stärken. Denn ein gestärktes Kind kann mit seinen Schwächen besser umgehen. Es ist ein ressourcenorientierter Ansatz.
Und wie sieht das dritte Standbein, das Fordern aus?
Darunter verstehe ich unter anderem, dass ich dem Kind klarmache, dass es für die Änderung einer unerwünschten Situation gebraucht wird. Es muss aktiv mithelfen, diese zu ändern. Ich frage beispielsweise das Kind, welche Konsequenzen es vorschlägt, wenn es etwa eine bestimmte Abmachung nicht einhalten würde. Ich bin immer wieder erstaunt, wie adäquat die Vorschläge der Kinder sind.
Sie coachen Mädchen und Buben ab 4 Jahren. Können Sie anhand eines Beispiels schildern, wie ein Coaching bei einem jüngeren Kind aussieht?
Ein 6-jähriger Junge hat sich den Ruf eingehandelt, «Schläger des Schulwegs» zu sein. Im Coaching erklärte er mir, seine Fäuste machten einfach immer, was sie wollen. Ich fragte ihn, welches Tier ihm helfen könnte, die Fäuste in der Tasche zurückzuhalten, statt sie auf Provokationen hin zu gebrauchen. Der Junge wählte einen Löwen. In seiner Anwesenheit erklärte ich nun dem Löwen, dass wir seine Löwenkräfte brauchten, um dem Jungen zu helfen. Auch die Eltern halfen mit, ihrem Kind den kleinen Stofflöwen auf den Schulweg mitzugeben. Der Bub hielt das Tier fortan im Hosensack fest in der Hand. Innert kürzester Zeit blieben die Schlägereien aus.
Das klingt sehr spielerisch.
Das Spielen hat in unserem Coaching einen hohen Stellenwert. Wir spielen mit Sand, basteln, musizieren, springen auf dem Trampolin. Mit Gesellschaftsspielen stärken wir das Selbstvertrauen. Bei Lotti Karotti, Vier gewinnt, Memory und anderen Spielen lassen wir die Kinder zunächst gewinnen. Hat es mehr Selbstvertrauen erlangt, lassen wir das Kind auch einmal verlieren. Mit diesen «Niederlagen» können wir arbeiten und dem Kind helfen, besser mit Frustrationen umzugehen.
Coaching unterstützt Menschen darin, ihre Leistung zu steigern. Entspricht das nicht auch dem Ehrgeiz mancher Eltern– ihr Kind zu optimieren?
Eltern haben manchmal bestimmte Wunschvorstellungen davon, wie die Lösung für ein Problem aussehen könnte. Sie wollen, dass ihr Kind anständiger ist, die Hausaufgaben seriöser erledigt, bessere Noten schreibt. Gerade punkto schulischer Karriere wünschen die Eltern oft, dass ihr Kind die Matura macht, studiert. Wie gehen Sie mit solchen Wünschen um? Für uns steht das Kind im Mittelpunkt. Wir gehen immer von ihm aus und fragen uns, was es für seine Entwicklung braucht. Vielleicht wäre es besser aufgehoben in der Sekundarschule. Dann muss ich den Eltern die Augen dafür öffnen, dass ihr Kind die Schullaufbahn allenfalls glücklicher, gesünder und selbstbewusster durchläuft, wenn es nicht ins Gymnasium geht.