Pro totale Offenheit
«Ich bin auch keine Heilige», sagt Katja (45), Mutter von zwei Töchtern (12 und 10) und eines Sohns (7).
«Eltern wollen zu gerne glauben, es gebe eine Jugend ohne Gefahren. Obwohl wir insgeheim natürlich wissen: Das ist eine Illusion. Auch unsere Kinder – egal, wie vernünftig sie sein mögen – werden den einen oder anderen Mist bauen.
Von daher bin ich dafür, dem eigenen Nachwuchs schonungslos offen von eigenen jugendlichen Ausrutschern zu erzählen. Denn Erwachsene brauchen keinen künstlichen Heiligenschein, um Autorität zu markieren.
Im Gegenteil: Geben sie zu, dass sie früher auch über die Stränge geschlagen haben und dafür Konsequenzen tragen mussten, wirken sie authentisch.
Zu meinen Jugendsünden gehört unter anderem der Klassiker «Privatparty in der Badi»: Mit den Jungs bin ich über den Zaun geklettert und in Unterwäsche ins Becken gesprungen. Was sehr, sehr kalt war, aber auch total lustig!
Natürlich prahle ich meinen Kindern gegenüber damit nicht. Aber ich erzähle davon, wenn die Sprache darauf kommt. Genauso wie ich ehrlich sage, dass ich früher auch mal beim Spicken in einer Klassenarbeit erwischt wurde oder die Unterschrift meiner Mutter gefälscht habe.
Deshalb bin ich noch lange kein schlechtes Vorbild. Ich glaube, es geht darum, das Ganze ohne Stolz zu erzählen. So habe ich zum Beispiel meinen Kindern gegenüber betont, wie gross meine Angst damals war, wenn meine Mutter besagte Lehrerin traf und ich jedes Mal Sorge hatte, die Fälschung könne auffliegen.
Meine Eltern haben mir immer sehr viele Freiheiten gelassen. Denke ich an all die Nächte in irgendwelchen Discos – damals, mit gerade mal 15 – und daran, dass meine Grosse in drei Jahren auch in solch zwielichtigen Schuppen abhängen könnte, wird mir ganz schlecht. Von dieser Zeit habe ich noch nicht berichtet, die Kinder waren bisher zu jung.
Sobald es aber Thema wird, schneide ich auch das an. Natürlich nicht im Sinne einer Generalbeichte, nach dem Motto «Jetzt ist es raus!», auch keine Lügen und Schönfärberei werde ich auftischen. Nein, ehrlich, sachlich und selbstkritisch soll es sein – so nehme ich es mir zumindest vor.
Denn letztendlich geht es doch vor allem darum zu signalisieren: «Kinder, eure Eltern sind auch keine Heiligen!» Vermitteln wir, «niemand ist perfekt», ist es ihnen hoffentlich auch nicht peinlich, von eigenen Dummheiten zu erzählen.
Ausserdem haben uns all diese Jugenderlebnisse geprägt und uns erst zu denjenigen gemacht, die wir heute sind. Meist sind dabei sogar halbwegs ordentliche Erwachsene herausgekommen – dann wird dies beim Nachwuchs hoffentlich auch so sein. Sollte eines meiner Kinder also irgendwann fragen: «Mama, hast du schon mal gekifft?», werde ich wahrheitsgemäss antworten.»