Ich rufe heulend meine Mama an
Der erste Tag war super. Das Kind euphorisch, mein Freund euphorisch, ich euphorisch. Der zweite Tag war schon nüchterner. Am schlimmsten war Tag vier. Da stand die Hort-Premiere an. Unser Sohn fand das null cool. Seinen Gefühlen liess er freisten Lauf. Er schrie, weinte und klammerte sich an mich. Während ich vor Ort das starke Mami mimte und dem Jungen Mut machte, zerriss es mich kurz nach dem Tschüss-Sagen. Stundenlang sass ich an unserem Esstisch und weinte. An Arbeit war nicht zu denken. Zu gross war das Gedankenkarussell, das in meinem Kopf drehte. Kommt der Bub gut im Hort an? Wird jemand Zeit haben, sich seiner Tränen anzunehmen? Wird er trinken, was essen? Und oh, die Sonne brennt, cremen sie ihn ein? Kann er ein Schläfchen machen, falls er vor Erschöpfung nicht mehr kann? Ich rufe heulend meine Mutter an. Sie sagt, ich sei genauso gewesen. Habe sowohl bei Tagesmüttern als auch im Hort Dramas hingelegt. Es habe ihr auch jeweils das Herz zerrissen. Sie leidet auch bei meinem Sohn mit.
Aber: «Als wir dich jeweils abholten, wolltest du nicht heim. Du warst fröhlich, hast mit allen gespielt, es ging dir wunderbar.» Super, sage ich und frage, ob das dann jeweils für den nächsten Hort-Tag reichte und ich easy winkend und fröhlich verschwand. Mama druckst herum. Gegen 17 Uhr hole ich unseren Sohn ab. Am Mittag habe er geweint und viel Begleitung gebraucht. Danach war er nur noch happy. Ich atme auf! Die nächsten paar Monate wiederholt sich das Szenario: Tränen-Drama-Happiness. Bis mich neulich die Nachricht einer Hort-Mitarbeiterin erreichte: «Heute ist mir Ihr Sohn freudig in die Arme gesprungen. Er lässt ausrichten, Sie müssen mit Abholen nicht pressieren!» Und nun raten Sie mal, wer vor Erleichterung mal wieder Rotz und Wasser heulte?