Die Tante winkt, die Tante lacht: «He Fritz, komm mal herein! Sieh, welch ein hübsches Brüderlein der gute Storch in letzter Nacht ganz heimlich der Mama gebracht. Ei ja, das wird dich freun!» Der Fritz, der sagte kurz und grob: «Ich hol’n dicken Stein und schmeiss ihn an den Kopp.»
Wilhelm Busch hätte heute vermutlich Mühe, einen Verlag zu finden, der ihn Fritzchens Gemütslage derart unmissverständlich in Worte fassen lässt. Wobei, zu den behutsamen Erzählern dürfte er auch 1874 nicht gezählt haben, als seine «Kritik des Herzens» erschien: Längst kannte man den Dichter aus Niedersachsen da schon für seine Verse, in denen Buben zu Hühnerfutter gemahlen werden und sich erst noch jeder darüber freut. Kein Vergleich zu den liebevollen und feinfühligen Kindergeschichten, die heute die Regale füllen. Und denen zum Trotz Kinder auch im Jahre 2018 Bauklötze durchs Zimmer schleudern, weil der kleine Bruder nervt.
Ein erstes Kind stellt die Welt seiner Eltern auf den Kopf. Ein zweites tut dies oft nicht minder. Zwar ist den Eltern vieles inzwischen vertraut: Sie wissen um die saugfähigsten Windeln und kennen die besten Orte der Stadt, um ungestört zu stillen; sie haben gelernt, dass es der Tochter beim Einschlafen hilft, wenn sie ihren Rücken kraulen. Ebenso vieles aber gibt es, das das Leben mit einem Kind nicht beantworten kann: Werde ich meinen zweiten Sohn so unbändig lieben können wie meinen ersten? (Hier schon mal: Ja.) Wie werde ich den unterschiedlichen Bedürfnissen zweier Kinder gerecht? Wo soll die Zeit herkommen, die jetzt schon fehlt? Wann ist der richtige Zeitpunkt, um das Babybettchen aufzustellen? Welcher Altersabstand zwischen Geschwistern ist am besten?
Gefährlicher Irrglaube
«Sind sieben Jahre warten besser als drei Jahre?», sagt Barbara Wüthrich von Pro Juventute am Telefon. «Solche Ratschläge sind doch Unsinn.» Wer sich vom Gespräch mit der Elternberaterin konkrete Tipps erhofft, liegt erst mal falsch. All die vielen Ratgeber, ist Wüthrich im Gegenteil überzeugt, nährten vor allem einen Glauben an Machbarkeit, und dieser sei gefährlich. Regelmässig möchten Mütter heute von ihr wissen, wie sie sich und ihre Familie am besten auf die Geburt eines zweiten Kindes vorbereiten sollen, was sie nur tun müssten, damit alles gut läuft.
Stellt sich der neue Alltag dann trotzdem als schwierig und anstrengend heraus, gäben sie sich schnell die Schuld dafür, grübeln, was sie wohl falsch gemacht haben. «Wir müssen Abschied nehmen von der Idee, dass alles machbar ist, wenn man sich nur genug anstrengt.»