Fallbeispiel 6 Jahre
Im Sommer kommt Lukas in die Schule. Vor einer Woche haben seine Eltern ihm gesagt, dass sie sich scheiden lassen. Seine Reaktion? Keine. Stattdessen fragte er bloss: «Kann ich einen Hund haben?»
Auch Lukas wird irgendwann reagieren. Jedes Kind tut das, aber jedes auf seine Art und in seinem Tempo», sagt Familienpsychologin Irina Kammerer. Wichtig sei, den Jungen nicht zu bedrängen und auszufragen. Er werde schon von selbst mit Fragen kommen. «Und dann ist es wichtig, möglichst offen und ehrlich zu antworten.» Offen und ehrlich? Was bedeutet das in diesem Alter? Fremdgehen, verprasstes Geld, Alkoholmissbrauch – alles vor dem Kind ausbreiten? «Das auf keinen Fall», betont Kammerer. Die Paarebene bliebe stets die Paarebene und die Elternebene die Elternebene. Infolgedessen haben Interna des Paares auch nichts bei den Kindern verloren. Faustregel: über die Trennungsgründe so viel wie nötig, so wenig wie möglich erzählen. Und das kindgerecht. Schuldzuweisungen, sexuelle Details oder etwas, das den Ex-Partner diffamiert, sind fehl am Platz.
Besser ist es, zu vermitteln: «Wir fühlen uns gemeinsam nicht mehr wohl und wir können uns nach einem Streit nicht mehr gut vertragen. Deshalb möchten wir nicht mehr zusammenwohnen.» Eine Trennung gehört begründet, Details sind jedoch unnötig. «Wobei man sich keine Illusionen machen darf», erklärt die Psychologin, «in der Regel haben Kinder längst mitbekommen, dass bei den Eltern etwas schiefläuft.» Kaltes Schweigen, verdrehte Augen oder fehlende gemeinsame Unternehmungen registrieren auch schon junge Kinder. Deshalb ist es zwar wichtig, alles Erdenkliche für eine gute Beziehung zu tun, nicht aber alles Erdenkliche zu tun, um eine schlechte Beziehung aufrechtzuerhalten. Zusammenlebende Eltern, die sich ständig streiten und angiften, sind für Kinder mindestens so problematisch wie getrennt lebende.
Was ist mit dem Hund?
Generell wird die Aussenwelt für Kinder im Schulalter zunehmend wichtiger, Ansprechpersonen ausserhalb der Kernfamilie, der Götti, das Grosi, können im Trennungsprozess eine wichtige Funktion übernehmen. Aber auch für sie gilt: kein schlechtes Reden über den jeweils anderen Partner. Schliesslich besteht das Kind zu 50 Prozent aus Mutter und zu 50 Prozent aus Vater. Wird ein Elternteil schlechtgemacht, werden damit auch Persönlichkeitsanteile des Kindes abgewertet. Auch für dieses Alter gilt noch: je konkreter, desto besser. Die Verabredung zum Fussballmatch, das weiterhin samstägliche Schwimmengehen. Verlässlichkeit ist Trumpf.
Ja, und was ist jetzt mit dem Hund? Kann der helfen? Ein Lichtblick sein? «Ein Tier ist kein Spielzeug, ist kein Trumpf im «Eltern-Wettbewerb» um die Gunst der Kinder. Zudem bedeutet es viel zusätzliche Arbeit. Das gilt es in angespannter Zeit zu bedenken. Und ein Elternteilersatz ist es natürlich auch nicht», sagt Kammerer: «Dennoch könnte dieser heiss ersehnte Hund für Lukas durchaus hilfreich sein.» Etwas, mit dem er sich zurückziehen kann, eine Helferfigur, die unbefangen ist, schmust, zuhört, tröstet – fröhlich ist. Das färbt ab.