Was können Eltern tun, wenn sich Kinder dauernd fetzen? Die Familienberaterin Maya Risch weiss Rat.
Frau Risch, wie lässt es sich vermeiden, dass Geschwister ständig streiten? Muss man das vermeiden?
Klar, Geschwisterstreit ist laut, intensiv und fordert Eltern heraus. Aber Kinder lernen auch viel: teilen, Kräfte erproben, verhandeln, für eigene Bedürfnisse einstehen. In meinen Kursen lade ich Eltern dazu ein, Geschwisterstreit positiv zu sehen. Und sich vom Gefühl zu lösen: «Ich mache was falsch, wenn meine Kinder viel streiten.»
Wie aber reagiere ich als Elternteil, wenn sich die Siebenjährige und der Neunjährige in den Haaren liegen?
Zunächst würde ich ruhig fragen: «Habt ihr Streit?» Manchmal nehmen wir das laute Gezeter als Streit wahr, dabei verhandeln die Kinder nur laut und brauchen keine Intervention von uns.
Und wenn es handfest zu- und hergeht?
Dann setzt bei Eltern der Schutzinstinkt ein und sie haben das Gefühl, sofort handeln zu müssen. Hier rate ich: gelassen bleiben und beobachten. Eltern haben die Tendenz, Kinder schnell beruhigen zu wollen. Dabei sind oft wir selbst aufgebracht und müssen zunächst für uns klären: «Wie kann ich mein Nervensystem wieder beruhigen?» Und: «Wofür bin ich eigentlich verantwortlich?»
Na ja, zum Beispiel dafür, dass die Kinder sich nicht die Köpfe einschlagen?
Ja, wird es grob, sind Gegenstände im Spiel oder ist der Altersunterschied gross, würde ich schnell eingreifen. Eltern sollten sich aber bewusst machen: Sie sehen nur einen kleinen Teil des Konflikts und wissen meist nicht, wie es angefangen hat. Deshalb lieber nicht Partei ergreifen. Denn rutschen wir in die Rolle des Schiedsrichters, haben wir verloren – weil mindestens eines der Kinder unsere Position als ungerecht empfinden wird. Das Ziel lautet deshalb: Begleiten statt Schlichten.
Wie begleite ich souverän?
In einem hitzigen Moment hilft oft eine physische Trennung mit der Ansage: «Ich lasse nicht zu, dass ihr euch verletzt! Wir brauchen jetzt alle eine Pause und besprechen später, was passiert ist und wer was braucht.» Geraten Geschwister immer wieder aneinander, kann es sich lohnen, ihre Beziehung durch gemeinsame Aktivitäten zu stärken, sodass sie sich als Team erleben. Denn häufig stecken Konkurrenzgefühle hinter Dauerstreitigkeiten.
Was sollten Eltern vermeiden?
Einzelne Kinder zu beschuldigen oder dauernd einzuschreiten – denn so lernen Geschwister nicht, Konflikte selbst zu lösen. Auch «Hört auf!» zu rufen, können Eltern sich sparen. Stattdessen lieber zweimal durchschnaufen und sich klar machen: Ständige Harmonie in der Familie ist eine Utopie – auch wenn sich das vor allem Frauen oft wünschen. Meine Buben, 19 und 16 Jahre alt, sagen heute: «Wir haben es so gut miteinander, weil wir früher so viel gestritten haben.» Da mag was dran sein. Auch wenn es für mich phasenweise schwer auszuhalten war.
Maya Risch ist Familienberaterin und bietet unter anderem Elternkurse zu Geschwisterstreit an.