Rollenklischees gehören nicht verboten. Aber auch nicht zementiert. Wie lange der Weg dorthin ist, zeigt das Bestrafungsritual, das in unserem Kindergarten herrschte. «Wenn man Seich macht, muss man etwas ausmalen. Die Buben ein Pony und die Mädchen einen Spider-Man.» Als mir mein älteres Kind davon erzählte, wusste ich nicht, ob ich weinen, schäumen oder lachen sollte.
Allein die Gesellschaft umkrempeln kann ich nicht. Aber als Teilzeit-Superdad zeige ich meinen Kindern tagtäglich, was ein Vater alles auch sein kann. Nämlich jemand, der Wäsche und Ponyposter aufhängt, der die Znünibox füllt, Zöpfe backen und in die Haare flechten kann, der mitgeht zum Tanzunterricht und der bei den Hausaufgaben assistiert. Ich frage mich gerade, ob meine Kinder in Sachen Aufgabenteilung überhaupt zwischen Vater und Mutter unterscheiden können.
Manchmal denke ich an jenen Sonntagnachmittag im letzten Winter. Während ich und ein anderer Superdad mit unseren vier Kindern zu Hause Guetzli ausstanzten, liess ich mich zu der ironischen Frage hinreissen: «Ach, erinnerst du dich noch daran, wie du als Kind jeweils mit deinem Vater und seinem besten Freund am Wochenende Guetzli gebacken hast?» Wirklich darüber lachen konnten wir nicht.
Doch die Zeiten ändern sich. Heute gewinnen Menschen, die zwischen den Geschlechtern hinund hertänzeln, Buchpreise, so wie Kim de l’Horizon. Genderfluid und non-binär, steht Kim de l’Horizon als Mensch dafür, dass wir alle «so viel mehr» sind als nur Buben und nur Mädchen. Wie wahr! Bewerten wir Interessen, Aussehen und Verhalten nicht mehr nach Geschlechterstereotypen, gibt es einen Grund weniger, weswegen Menschen ausgegrenzt, diskriminiert oder angegriffen werden.
Wer die Idee einen Seich findet, soll Kim de l’Horizon ausmalen.