Welche Hebel sind im Bereich Partnerschaft zentral, um die finanzielle Ungleichheit zu minimieren?
Augen auf bei der Partnerwahl! Von Anfang an klar und ehrlich miteinander sprechen, dafür sorgen, dass beide eine gute finanzielle Zukunft haben. Der Alleinernährerdruck ist ja auch für Männer enorm – auch mit Blick darauf ist es besser, das Risiko zu verteilen.
Offene Diskussionen über Geld, bewusste Entscheide für Erwerbs- und Betreuungspensen – sind solche Gespräche für Sie mit Ihrem Hintergrund alltäglich?
Mein Partner und ich besprechen diese Themen in den letzten Jahren verstärkt. Wir wollen uns auch als Paar Ziele setzen: Wie wollen wir später leben, was für Visionen haben wir, worauf arbeiten wir gemeinsam hin? Übrigens sollte Geld auch bei Überlegungen zum Zivilstand hineinspielen: Ein doppelverdienendes Konkubinatspaar muss nach einer Heirat deutlich höhere Steuern zahlen. Ich als Ökonomin bin mit dem Vater meiner Kinder aus Prinzip nicht verheiratet. Ausser der Schweiz gibt es kein anderes Land, in dem Paare finanziell bestraft werden, wenn sie heiraten. Unverständlich für mich. Ich hoffe, die Individualbesteuerung kommt, damit wir noch heiraten können. (lacht)
Als Gründerin einer Firma haben Sie den «Gender-Gründungs-Gap» geknackt, ein weiteres Feld, in dem Frauen markant im Nachteil sind: Weltweit fliesst nur ein einziges Prozent der Investitionen in Projekte von Frauen. Was haben Sie bei Auftritten vor möglichen Kapitalgebern erlebt und wie haben Sie die Finanzierung Ihres Start-ups schliesslich geschafft?
Das Netzwerk war entscheidend. Während meiner Anstellung beim SRF habe ich während Jahren am World Economic Forum in Davos Interviews geführt und dabei Leute kennengelernt, die Kapital haben. Auf diese konnte ich nun zugehen. Es waren lange Gespräche, ich traf teils auf viel Unverständnis, auch auf Aggression und Spott. Das interessiere keinen Menschen, hiess es zum Teil. Es ist uns aber gelungen, Investorinnen und Investoren zu gewinnen. Und unsere Zahlen zeigen: Der Markt für elleXX ist da; Frauen haben ein riesiges Nachholbedürfnis.
Wie viel Kapital musste elleXX generieren?
Wir mussten vor allem unseren Businessplan detailliert vorlegen. Der ist übrigens dicker als ein Taschenbuch. Wir haben aber auch viel eigenes Geld reingesteckt und 14 Monate komplett auf Lohn verzichtet.
Wie hoch also ist das Kapital?
Diese Zahl ist noch nicht öffentlich.
Wie viele Personen haben schon investiert in das Anlageprodukt mit Fokus Geschlechtergleichstellung, das elleXX mit der Migros Bank anbietet?
Innerhalb von zwei Wochen hatten wir unser Jahresminimalziel erreicht. Das hat uns enorm gefreut.
Wir sprechen also nicht von Personen, sondern von Investitionsvolumen. Wie viel war das?
Per Ende 2021, also nach knapp zwei Monaten am Markt, waren über drei Millionen Franken in das Produkt hineingeflossen. Das ist der Beweis, dass das Thema interessiert. Als Botschaft ist mir wichtig: Mit Geld können wir zusammen eine grosse Wirkung, einen Impact, erzielen. Es bringt erwiesenermassen 27-mal mehr, wenn wir unsere Pensionskasse zwingen könnten, nachhaltig zu investieren, als wenn wir uns vegan ernähren oder aufs Auto verzichten.
Im Januar haben Sie den Finanzblog «Inside Paradeplatz» wegen sexistischer Berichterstattung verklagt und gewonnen. Schockiert Sie Sexismus jedes Mal aufs Neue oder sind Sie abgehärtet?
Es geht mir ähnlich wie Politikerinnen, die wahnsinnig viel einstecken müssen. Mit dem ersten Shitstorm kommen Panikattacken und Angst. Später wird man gelassener, legt sich eine sehr dicke Haut zu.
Als SRF-Moderatorin und «Blick»-Kolumnistin wurden Sie zum Promi. Ist diese Rolle Mittel zum Zweck – oder geniessen Sie sie?
Mit der Sichtbarkeit kommt auch der Sexismus. Frauen werden durch die heftigen Kommentare zum Schweigen gebracht. Dagegen kämpfe ich an. Ich finde es immer gut, wenn jemand in seinem Fachgebiet sichtbar wird. Sei es die Anwältin, sei es die Gesundheitsfachperson, die ihr Wissen teilt.
Mit dem Promi-Status steigt auch das Interesse an der Person. Wo ziehen Sie die Grenze?
Ich muss nicht an jeder Filmpremiere vor der Kamera sein und irgendwas sagen, sondern will im Zusammenhang mit meinen Sachthemen – Finanzen, Empowerment, Close the Gaps – in der Öffentlichkeit stehen.
Das Interview erschien zuerst in Ausgabe 3/2022 von «wir eltern».