Selina: «Emotional schwierig wurde es für mich erst, als Patrick sich vor sieben Jahren verknallte. Er steckte spürbar in einem emotionalen Chaos. Ging mir aber aus dem Weg. Das hat mich verletzt und auch genervt. Denn ich hätte sowohl mit der Entscheidung SIE als auch mit der Entscheidung SIE und ICH einen Umgang gefunden. Hätte quasi gleichberechtigt an dieser Entscheidung teilnehmen wollen. Schliesslich ging es mich ja auch etwas an. Seine Verschwiegenheit allerdings hat mich ins Leere laufen lassen. Das fand ich unfair.»
Patrick: «Ich habe mein emotionales Chaos bewusst runtergespielt. Nicht zuletzt auch deshalb, weil ich Selina gegenüber respektvoll sein wollte. Das hat sich im Nachhinein als totaler Trugschluss erwiesen: Ich war null respektvoll und verlor deshalb auch Selinas Vertrauen zu jener Zeit. Verständlicherweise. Ich selber habe nie Verlustangst empfunden. War auch nie eifersüchtig. Wieso auch? Wir waren ja in ständigem Austausch. Mühe bereitete mir allerdings, dass sich Selina mir körperlich immer mehr entzog. Sie verspürte einfach kein sexuelles Verlangen mehr. Wir haben zwar intensiv darüber gesprochen, geändert hat das aber nicht viel.»
Ein bekanntes Phänomen ist die «tote Hose» im Bett, die gerade in langjährigen Beziehungen häufig eintrifft und sich hormonell erklären lässt: Befinden sich verliebte Menschen noch im Rausch von körpereigenen Hormonen – allen voran Dopamin, im Volksmund auch als Glückshormon bekannt – so wird dieses nach drei bis vier Beziehungsjahren nur noch spärlich an die Nervenzellen abgegeben.
Selina: «Gespürt, dass wir als sexuelles Paar nur noch bedingt funktionieren, habe ich ansatzweise bereits nach der Geburt unseres zweiten Kindes vor neun Jahren. Es war eine archaische Geburt, die mich auch körperlich wahnsinnig mitgenommen hatte. Ich habe mich danach eine ganze Zeit lang überhaupt nicht als sexuelles Wesen wahrgenommen. Die Liebe zu Patrick hat jedoch nicht nachgelassen. Als ich mich vor fünf Jahren dann in einen anderen Mann verliebt habe und merkte, dass ich doch noch sexuelle Lust empfinden kann, wurde uns ziemlich schnell bewusst, dass wir als Sexualpartner an ein Ende gekommen waren.»
Patrick: «Wir wollten auf keinen Fall, dass unser sexuelles Ende gleichzeitig unser Beziehungsende bedeutet. Räumlich nicht, weder als Eltern noch für unsere Liebe oder Freundschaft. Da wir in einer komfortablen Wohnsituation waren – in der jeder von uns schon lange sein eigenes Zimmer hatte – liess sich das ziemlich einfach umsetzen. Für unsere Kinder hat sich insofern auch nicht viel verändert: Wir fahren weiterhin gemeinsam in die Ferien, wir besuchen sonntags en famille die Grosseltern und kümmern uns um sie, wenn sie krank sind.»
Mehrere Menschen gleichzeitig zu lieben, erscheint für viele von uns genauso undenkbar, wie das Modell «Für-immer-und-ewigdein». Was letztlich bleibt, ist die Erkenntnis, dass langjährige Beziehungen einer ständigen Auseinandersetzung bedürfen. Einer ehrlichen, unbequemen Auseinandersetzung mit sich selber und seinem Gegenüber. Dazu muss man bereit sein – egal für welchen Weg man sich als Paar entscheidet.