Derweil hat meine Mutter damals mit 31 geheiratet und war mit 36 schwanger, während ich, fast gleich alt, gerade einen Mann date, der sich nicht mal ein gemeinsames Wochenende korrekt in den Kalender eintragen kann und der das Kinderkriegen als den ultimativen Akt ansieht, der sein Leben zerstören wird. Wohl auch deshalb treffen die Worte der Frau in dieser Bar gerade auf fruchtbaren Boden, gehen nicht mehr verloren, haken sich fest, in meinem Kopf.
8000 Franken, sagt mein Gegenüber nun, für eine Behandlung in der Schweiz, mindestens, die Lagerkosten noch nicht mit eingerechnet. Im ersten Durchlauf hätte man ihr zwölf Eizellen entnommen, 75 Prozent davon würden idealerweise den Auftauprozess überleben, dann die Befruchtung, das Einsetzen, ein paar theoretische Leben kämen da schon zusammen, doch. Die Klinik habe ihr zu einem zweiten Zyklus geraten, doch sie hat abgewunken. Zehn Jahre lassen sich diese Eizellen nun aufbewahren, zehn Jahre länger Zeit. Für mich ? Für einen Partner ?
Ich frage mich, ob diese Entscheidung nun feministisch ist oder bloss kontrollsüchtig und privilegiert. In der Schweiz bleibt fast jedes fünfte Paar ungewollt kinderlos. Bis zu einem Drittel aller Schwangerschaften endet in Fehlgeburten. Die Spermienqualität der Männer nimmt seit Jahren rapide ab, der Schweizer Durchschnitt liegt sogar unter demjenigen der EU. Östrogen im Trinkwasser, von der Antibaby-Pille, ausgerechnet. Handystrahlen, die aus den Jeanstaschen heraus permanent Wärme erzeugen, Fahrradsattel, psychischer Druck, schlechte Ernährung. Wird da meine Investition in ein zukünftiges Leben unter diesen Umständen nicht plötzlich: vernünftig ?
Frauen zahlen drauf
Gleichzeitig steigt Wut in mir hoch. Wut auf mein Frausein. Auf all die Momente, in denen ich darauf achten musste, nicht schwanger zu werden. Auf all die Energie, auf all das Geld, das ich über Jahrzehnte darin investiert habe, ja kein Kind zu bekommen. Auf all die Hormone, die ich genommen habe. Die Angst, dass das Kondom abrutscht. Ich werde wütend auf meine Beziehungen, auf Zufälle, auf Trennungen, darauf, dass offenbar ich allein die Weichen stellen muss. Dabei sind Männer statistisch gesehen in einem Drittel der Fälle das eindeutige Unfruchtbarkeitsproblem beim Wunsch, ein Kind zu bekommen. Warum sind es die Frauen, die wieder viel Geld für ein bisschen Abstand vom biologischen Schicksal ausgeben müssen? Draufzahlen für Menstruation, für Verhütung, für Empfängnis; draufzahlen für den gesamten Fruchtbarkeitszyklus, für die reine Tatsache, dass wir mit Eierstöcken geboren wurden.
Vielleicht hätte meine Mutter genau das Gleiche getan, wenn sie heute vor der Entscheidung stehen würde. Vielleicht kann man das auch alles anders sehen. Vielleicht ist Egg Freezing der ultimative feministische Akt. Habe ich mein Geld nicht schon für Dümmeres ausgegeben ? Sollte nicht gerade ich, die es sich leisten kann, in einem Land lebend, das mir alle Freiheiten lässt, wenn es um meinen Körper geht, radikal Verantwortung übernehmen ? Und nach Jahrzehnten Verhütung nun genauso das Gegenteil in die Hand nehmen: Empfängnis ?
Ein paar Wochen später sitze ich im Sitzungszimmer der behandelnden Ärztin. Sie sagt mir, dass ich noch Zeit habe. Meine Blutwerte sind gut. Beginn der Behandlung in einem Monat. Vielleicht reicht ein Durchgang. Vielleicht werde ich weinen. Vielleicht werde ich erleichtert sein. Vielleicht werde ich einem Mann davon erzählen, irgendwann. Vielleicht schon beim ersten Treffen. Vielleicht werde ich diese Eizellen nie benutzen, vielleicht werde ich auf natürliche Art und Weise nie schwanger, vielleicht beim ersten Versuch. Vielleicht werden noch Jahre vergehen, oder aber ich werde nie Kinder gebären, vielleicht werde ich ins Ausland ziehen, vielleicht nehme ich meine gefrorenen Eizellen dann mit, an den neuen Ort, in ein neues Leben. Ich weiss nichts davon, was meine Zukunft birgt, ich weiss bloss: Ich habe mir Raum geschaffen, für Ungewissheit, und mein Leben hat für Ungewissheit jetzt bald wieder ein bisschen mehr Platz.