Sehr sogar. Ich empfinde unseren aktuellen Lebensabschnitt als wahnsinnig intensiv. Irgendwie routiniert, aber gleichzeitig auch täglich im Wandel. Findest du, das Vatersein hat dich verändert?
Ich bin empathischer geworden, denke ich. Soziale Themen berühren mich jetzt viel mehr, weil ich die Situation gedanklich auf unseren Sohn und uns übertrage. Ich denke schon, dass mich Vatersein weicher gemacht hat.
Siehst du mich mit anderen Augen, seitdem ich Mutter bin?
Ja. Ich sehe, wie viel du von dir geben kannst. Ich kannte das von dir bereits von unseren Hunden, aber mit unserem Sohn ist das nochmals eine Stufe mehr.
Tut gut zu hören, dass du das siehst... Was macht das mit dir, dass ich unseren Sohn mehr liebe als dich?
Das hast du mir so noch nie gesagt.
Dich überrascht meine Antwort? Empfindest du das nicht genauso?
Ehrlich gesagt: Ich hab mir das noch nie überlegt. Ich glaube, ich liebe euch unterschiedlich. Das kann man gar nicht vergleichen. Wenn ich mir deine Worte so überlege, ist es schon etwas befremdend: Bis vor einem Jahr war ich deine Nummer eins... Jetzt nicht mehr. Aber andererseits ist unser Sohn ein Teil von mir. Ich denke, ich kann damit leben.
Sag mal: Warum wolltest du überhaupt Vater werden? Diese Frage haben wir von deiner Perspektive noch nie besprochen.
Ich fand den Gedanken schön, mir etwas Eigenes aufzubauen. Mein Haus, meine Frau, meine Kinder. Es ist ein konservativer Gedanke, mit dem ich aufgewachsen bin, den ich aber noch immer so hege. Auch als Vater die Chance zu erhalten, meinem Kind Sachen zu ermöglichen, die ich nicht haben oder tun konnte, empfinde ich als bereichernd.
Wenn du vor der Geburt gewusst hättest, was du jetzt weisst: Was hättest du anders gemacht? Oder was hätten wir zwei besser machen können?
Ich hätte uns vor der Geburt eine bessere Infrastruktur aufgebaut. Ich hätte mir überlegt, wo im Alltag unsere Trigger liegen und versucht, diese zu verhindern. Konkret: Uns hätte eine Putzhilfe sehr geholfen, finde ich. Wir haben so oft und so unproportional viel über Haushaltsthemen gestritten, die dann in Grundsatzdiskussionen übergingen.
Die Toleranzgrenze füreinander als Neueltern ist viel tiefer. Du hast das eher gespürt als ich: Du hast nachts gestillt und warst die ganze Zeit mit dem Kleinen. Ich konnte während der Arbeit emotionalen Abstand gewinnen.
Wir hätten uns mit einer besseren Organisation viele Streitigkeiten sparen und stattdessen Zeit zusammen und mit unserem Sohn verbringen können. Das ist auch mein wichtigster Rat, den ich werdenden Eltern gebe.
Bei jedem sieht eine gute Infrastruktur anders aus: Wenn es keine Putzhilfe ist, dann sind es vielleicht Freunde oder Familie, die ab und zu mitanpacken können. Es geht einfach darum, möglichst viel Konfliktpotenzial aus dieser emotionalen Anfangsphase herauszunehmen.
Denkst du noch oft an die Geburt?
Fast gar nicht. Wenn, dann eher daran, dass ich mir für ein nächstes Mal eine leichtere Geburt für uns wünsche. Ich erinnere mich an all die Ärzte, die ständig reinkamen und den Herzschlag des Kleinen überprüften. Ich habe mich in der Situation nicht wohlgefühlt. Der Gedanke, dass in deinem Bauch etwas von uns ist, das in Gefahr sein könnte, fand ich schrecklich.
Obwohl wir eine sehr lange und turbulente Geburt hatten, hab ich sie genossen. Ich fand, das war das irrste Erlebnis meines Lebens, trotz aller Unsicherheiten. Und anders als du denke ich oft daran zurück. Und ich denke auch gern daran zurück. Bereust du es, dass du mit dabei warst?
Es ist bestimmt einfacher als Mann, nicht dabei zu sein. Die Geburt empfand ich als sehr unangenehm. Und gleichzeitig gab es viele Entscheidungen zu fällen, die ich keinem anderen hätte überlassen wollen. Kaiserschnitt ja oder nein... Wer sonst kann das entscheiden, wenn nicht die Eltern?!
Kannst du verstehen, wenn jemand keine Kinder haben möchte?
Das kann ich sogar sehr gut verstehen. Unser Fokus heute liegt stark auf individueller Selbstverwirklichung und mit ihr kommen viele verschiedene Lebensentwürfe. Ich finde das gut und finde sogar, dass das ein Fortschritt ist. Jeder muss für sich entscheiden, ob all das, was Kinder einem geben, den Aufwand, den sie bedeuten, aufheben. Wer keine Kinder haben möchte, der ist sich der damit verbundenen Arbeit bewusst. Kinder bedeuten Zeit und Geld und Energie... Ich kann verstehen, wenn man das alles nicht aufopfern möchte. Aber andererseits weiss man auch nicht, was ein Kind bedeutet, bis man selbst eins hat. Und dazu gehören auch alle schönen Seiten.