Dienstleister und Handlanger
Streicheln, stützen, massieren. Männer sehen ihre Aufgabe häufig in kleinen Dienstleistungen. Nicht immer aber kommen die Bemühungen an. «Meine Frau reagierte bei der ersten Geburt ungehalten, als ich ihr Wasser anbot. Sie hat mir das Glas fast aus der Hand geschlagen», erinnert sich Martin Rupf aus Freienwil. «Ich bin ruhig geblieben, habe ihr gut zugeredet und mich darum bemüht, ihr das Gefühl zu vermitteln, dass wir die Geburt gemeinsam durchstehen», sagt er.
Dass es gut tun kann, eine Aufgabe zu haben, erlebte auch er. Die Geburt seines zweiten Kindes am Spital Leuggern im September 2014 leitete eine Beleghebamme. «Sie hatte eine Mischung aus Strenge und Empathie und bezog mich immer wieder ein, etwa um meiner Frau zu helfen, die Stellung zu wechseln. Sie gab mir das Gefühl, dass es mich braucht. Das war cool», sagt Rupf. Auch Res Würmli fand sich in der Situation sofort besser zurecht, als seine Partnerin wieder ansprechbarer war und sie seine Unterstützung annehmen konnte.
Wasser reichen, Kissen richten, zureden. Klar. Mehr geht für viele nicht. Manche Männer wollen keinesfalls zwischen die Beine blicken. Aus Furcht, dass der Anblick der eröffneten Scheide mit dem Köpfchen zu irritierend ist, dass die Paarerotik durch zu grell ausgeleuchtete Blicke auf die Intimsphäre nachhaltig gestört sein könnte. Andere befürchten, beim Anblick von Blut und Nadeln wegzukippen und halten sich deshalb lieber in sicherem Abstand auf. Nicht so Patrick Gusset. Der Basler nahm während der Geburt seines Sohns im vergangenen November die Rolle eines Assistenten ein. Beleghebamme Lucia Mikeler (s. Interview) hatte sich vor einiger Zeit den Oberarm gebrochen und benötigte während der Geburt Unterstützung. «Lucia und ich haben bei der Vorbesprechung festgestellt, dass es für den Flow während der Geburt förderlicher ist, wenn wir ein Team bilden, als wenn eine zusätzliche Fachkraft dazu kommt», sagt Patrick Gusset. Die Bedenken seiner Partnerin, ob er das alles verdauen und verkraften könne, schlug er in den Wind. So assistierte der Regisseur und Schauspieler beim Infusionensetzen, Unterlagenwechseln, Katheterschälchenhalten. Er putzte und legte kalte Wickel auf, überwachte Geräte und schob Maschinen herum. «Ich war froh, war unsere Hebamme beeinträchtigt, denn es war für mich sehr angenehm, etwas konkret zu machen», sagt Gusset.
Gewiss, so nahe am Geschehen zu sein ist nicht jedermanns Sache. Und nicht alle Männer berichten im Nachhinein so entspannt von der Geburt. Manche Eindrücke werden sie nicht mehr los. Schliesslich verfolgt der Mann die Geschehnisse hellwach, während die Gebärende irgendwo in einer Wolke nicht alles klar mitbekommt. Der Schock schwingt noch mit, wenn ein Mann von der «Pouletschere» erzählt, die bei seiner Frau für den Dammschnitt eingesetzt worden sei. Ein anderer wurde in seine Landdienst-Zeit zurückversetzt, wo die Kälber im Stall mit Zange und roher Kraft herausgezerrt wurden – wie nun auch sein Kind.
Ganz klar: Als einer der Protagonisten oder zumindest als Nebendarsteller bei einer Geburt dabei zu sein, hat mit dem Gucken der Lieblings-Spitalserie so wenig zu tun wie ein «Tatort» mit der «Landfrauenküche ». Wegzappen geht nicht. Wohlig-distanziertes Erschauern ob der Dramatik der Situation ist kaum möglich. Schliesslich ist es das eigene Kind, das hier geboren wird. Nichts für schwache Nerven also. Trotzdem begleiten Männer seit einigen Jahren ihre Frauen mit einer unerschütterlichen Selbstverständlichkeit nicht nur ins sanft beleuchtete Gebärzimmer, sondern weichen ihr auch dann nicht von der Seite, wenn eine Verlegung der Geburt in den Operationssaal notwendig wird.
So auch Philip Gehri. Zwar liefen ihm die Tränen über die Wangen, als er in Einweg-Operationsgewänder gekleidet auf einem Stuhl im Gang darauf wartete, in den OP eingelassen zu werden, wo sein Sohn aus dem Bauch seiner Frau geholt werden sollte. Doch nicht aus Verzweiflung oder Angst: «Der Geburtsverlauf war die ganze Nacht lang ungewiss gewesen, und ich hatte gegen den Morgen immer wieder um Fassung ringen müssen. Als sich nun die Hebammen auf dem Gang vor dem Operationssaal von mir verabschiedeten, brach ich in Tränen aus», erinnert er sich. Besorgt fragten die Hebammen, ob er beim Eingriff dabei sein wolle. Er wollte und beobachtete die kontrollierte Situation im Operationssaal fasziniert. «Endlich ging etwas. Das war spannend und erlösend zugleich.»