Als sich Kathrin und Fabian vor 12 Jahren morgens um 6 Uhr in einem Zürcher Club kennenlernten, steckten beide mitten im urbanen Leben. Er arbeitete zum Teil 18 Stunden Schichten als Koch in der Spitzengastronomie, sie als Grafikerin in einer Werbeagentur, wo sich der Feierabend auch mal bis in die späten Abendstunden ziehen konnte. Fabian gewann Kathrins Herz, indem er sie mit selbst gemachten Pralinen, Kartoffelschaum und Delikatessen überraschte. «Mit Speck fängt man Mäuse», lacht sie, als wir sie zum Gespräch treffen.
Gourmetküche und Existenzängsten
Als Theo vier Jahre später zur Welt kam, dauerte Fabians Vaterschaftsurlaub gerade mal 20 Stunden, so lange, bis sein Sohn auf der Welt war und Fabians nächster Einsatz in der Küche begann. «Das Geld kam rein und ging gleich wieder raus», sagt Fabian. Die Kreditkarte war regelmässig überzogen und der Kontostand im Minus. So konnte es für die junge Familie nicht weitergehen. Ohne Startkapital begann Fabian, nach seinen Schichten am Samstagabend an eigenen Bratensaucen zu tüfteln. Zwischendurch fand er im Lagerraum ein paar Stunden Schlaf. «Ich gestaltete die Etiketten und half Fabian mit dem Onlineshop», sagt Kathrin. «Wir setzten alles auf eine Karte», ergänzt er. Sie hatten Glück. Kurz darauf schrieben die zwei grössten Zeitungen der Stadt über Le Saucier, wie sich Fabian nannte. Durch dieses Standbein gelang es Fabian, seine Selbstständigkeit immer mehr auszubauen. Als Kathrin während ihres zweiten Mutterschaftsurlaubes bei einer Massenentlassung ihren Job verlor, begann sie wieder zu zeichnen und hatte auch mehr Zeit zum Malen. Indem sie ihre Skizzen und Entwürfe auf Social Media teilte, bekam sie immer mehr Aufträge für Illustrationen und Zeichnungen. Schon bald hatte die junge Familie ein weiteres Standbein. Doch das Geld blieb knapp und sie zogen immer wieder um. Die hohen Zürcher Mieten trieb die Familie sogar in die Agglomeration, wo sie sich aber nie richtig zu Hause fühlten.
Als dann während der Pandemie die Lebenshaltungskosten immer weiter anstiegen und Aufträge ausblieben, wuchsen auch die Existenzängste. «Teilweise wusste ich nicht, wie wir die Miete zusammenkratzen können», sagt Kathrin und erzählt, dass sie sich als Selbstständige das Leben mit zwei Kindern fast nicht mehr leisten konnten. Sie wollte endlich zur Ruhe kommen. Finanziell und auch psychisch. Fabian sei da immer viel zuversichtlicher gewesen. Dies verursachte viel Streit. «Auch weil Fabians Optimismus ins Absurde kippte», sagt Kathrin. Sie hätten in dieser Zeit viel Lotto gespielt. «Wir haben uns an den Claim der Lottowerbung gehalten: Wer nicht mitmacht, gewinnt nicht», sagt Fabian. Als er ein Angebot bekam, für eine reiche Familie in Spanien als Privatkoch zu arbeiten, sahen sie sich bereits in Marbella am Strand – fast wie die Lottomillionäre, aber eben nur fast. «Der Lohn war lukrativ, doch irgendwie konnte ich es mir nicht vorstellen, mich in eine so starke Abhängigkeit zu begeben und die Kinder nicht mehr zu sehen», sagt Fabian. Er hätte abends und am Wochenende für seine Auftraggeber kochen müssen. «Das Wichtigste ist mir, so viel Zeit wie möglich mit Theo, Luis und Kathrin zu verbringen», sagt Fabian.