Mazedonien
Familie Sula Bajrami
Tibet
Familie Dolma Yangchen und Lobsang Tenzing Jangbar
Dolma Yangchen Jangbar (30) war Analphabetin und hat autodidaktisch Englisch, Deutsch sowie Lesen und Schreiben gelernt. Lobsang Tenzing (27) Jangbar arbeitet derzeit in Zürich als Küchenhilfe in einem Restaurant. Das Paar flüchtete vor der Geburt der Kinder Tenzin Choedup (2½ J.) und Tenzin Palbar (8 Monate) in die Schweiz.
Am Anfang war es sehr schwierig, weil wir die Sprache nicht kannten. Unsere Söhne sind hier geboren, meine Frau hat die Schwangerschaften und die Geburten ganz nach der tibetischen Kultur mit vielen Gebeten und Ritualen erlebt. Wir lieben die Schweizer Kultur und das politische System hier, denn es war sehr schwierig für uns in Tibet. Wir probieren uns so gut wie möglich anzupassen, ohne dass wir unsere eigene Kultur verleugnen müssen. Das klappt zum Glück ganz gut, auch dank der Stiftung Tibet-Institut in Rikon, die wir regelmässig besuchen. Meine Frau kann inzwischen besser Deutsch schreiben als ich, dafür verstehe ich schon recht gut Schweizerdeutsch. Wir sind zuversichtlich, dass unsere Kinder hier ein glückliches Leben führen können, wenn wir bleiben dürfen. Der grösste Unterschied ist, dass tibetische Kinder ihr ganzes Leben mit ihren Eltern leben und sie im Alter auch pflegen. Schweizer Kinder ziehen schon sehr früh aus dem Elternhaus aus.
Spanien
Familie Gòmez Guiance
Beatriz (39), Architektin, Ignacio (38), Informatiker und Energieberater, mit Nuria (7), Hugo (5) und Oliver (1½ J.), kommen aus Madrid und leben seit zweieinhalb Jahren in der Schweiz.
Mir gefällt es extrem gut in unserer Gemeinde im Zürcher Unterland. Es ist ruhig, grün und es wohnen sehr viele Familien hier. Natürlich vermissen wir Spanien und Madrid schon, aber unsere Mütter kommen regelmässig für mehrere Wochen hierher. In Madrid ist es zwar viel lauter, aber es ist viel einfacher, Leute kennenzulernen, anderen Müttern auf Spielplätzen zu begegnen. Ich habe als Architektin einen sehr interessanten Beruf und würde gern bald wieder arbeiten. Aber ich habe keine Ahnung, wie das gehen soll mit drei Kindern. Die Krippen sind teuer, zum Teil gibt es sogar Wartelisten.
USA/Mexico/Deutschland
Familie Dreher-Slone
Maria Magdalena Slone (37), amerikanische und mexikanische Staatsangehörige, Trainerin bei General Motors im 80%-Pensum, Peter Dreher (44), Deutscher, selbstständiger Unternehmer, Sohn Julian (3).
Mein Mann muss sehr viel herumfliegen beruflich, ich selbst bin seit Julians Geburt nicht mehr so oft unterwegs. Julian besucht drei Tage pro Woche eine spanische Krippe. Mein Mann und ich sprechen miteinander englisch, ich spreche spanisch mit Julian, mein Mann deutsch. Ich bin in New York aufgewachsen und lebe heute in der Schweiz im Paradies, scheint mir. Die Schweiz ist ein sehr multikulturelles Land mit vier Landessprachen, das beeindruckt mich. Mehrsprachig aufwachsende Kinder werden hier viel besser unterstützt als in den USA. Und die öffentlichen Schulen sind super. Ich möchte, dass Julian später z. B. auch ein Musikinstrument mit einer englischen Lehrperson erlernt – ich bin ein Sprachenfan. Toll ist hier auch, dass alle Kinder ganz selbstverständlich zu Fuss in die Krippe, Schule usw. gehen. Und es gibt Reaktionen, wenn ein trotzendes Kind sich im Coop auf den Boden schmeisst; einmal gab mir eine Grossmutter ein paar gute Tipps. In den USA ist so was verpönt – hier gibt es klare Regeln, und das finde ich gut.
Weniger gut ist der kurze Mutterschaftsurlaub. Vier Monate sind viel zu wenig. Ideal fände ich eine Lösung wie in anderen europäischen Ländern mit bis zu drei Jahren Elternschaftsurlaub samt Arbeitsplatzgarantie. So sind Mütter schon sehr früh gezwungen, wieder arbeiten zu gehen. Oder sie gehen schon gar nicht mehr auswärts arbeiten.
Barbora (40), ausgebildete Choreografin, Tanzpädagogin, Tänzerin und Pilates-Trainerin, Andreas (47), technischer Leiter Gessnerallee Zürich, mit Jakub (3¾ J.) und Emilia (8 M.). Greiners leben seit 2004 in Steinmauer ZH.
Die Begleitung in der Schwangerschaft und die Geburt im Spital empfand Barbora als «absolut top, 4-Stern- Service», während ihr früherer Spitalaufenthalt in Tschechien «der reine Albtraum» gewesen sei. Die Krise ergriff die Mutter, als Jakub 8 Monate alt war und sie realisierte, wie isoliert sie lebte: «Hier kommen die Leute nicht auf einen zu, teils auch aus falscher Rücksichtnahme.» Auf der Suche nach einer Kinderkrippe in ihrer Nähe musste sie feststellen, dass diese ein kleines Vermögen kosten würde, wenn sie wieder arbeiten wollte. So nahm sie den Sohnemann mit ins Tanztraining – bis er zu krabbeln begann. «Es war eine Sackgasse. Ich wollte wieder fit werden für die Arbeit, aber mit Jakub zusammen ging das nicht.» Schweren Herzens meldete sie ihn doch in der Krippe an, für teures Geld, aber wenigstens konnte sie jetzt wieder trainieren. «Mir ist es ein Rätsel, wie normale Schweizer Mütter Beruf und Kinder vereinbaren können.» Auch Andreas ist beruflich stark gefordert, kommt abends meist erst spät nach Hause. Unter der Woche verbringt die Familie kaum gemeinsame Zeit, dafür macht sie alljährlich acht Wochen gemeinsam Ferien. Glücklich macht Barbora, dass sie vor Kurzem ihr eigenes Studio eröffnen konnte, in dem sie Ballett-, Tanz- und Pilatesstunden gibt.
Vlora Sula (29), Gezim Sula (28) mit Gjergj Sula (16 M.), aus Mazedonien. Sie ist Deutschlehrerin, er Geschichtslehrer.
Gezim: «Die Infrastruktur in der Schweiz ist super, mit dem Kinderwagen kommt man überall hin. Die Kinderarztpraxen sind kinderfreundlich eingerichtet. Das gibt es in Mazedonien nicht, und die Praxen dort befinden sich in sehr schlechtem Zustand. Ich finde, die Schweizer sollten etwas lockerer mit Kindern umgehen, sie einfach mehr Kind sein lassen. In Mazedonien gibt es nicht so strikte Regeln darüber, was und wie viel Kinder essen sollten und wann sie zu Bett gehen müssen. Die Kinder essen, wann sie Hunger haben. Wenn sie vom vielen Herumtollen draussen müde sind, gehen sie abends freiwillig und selbstständig ins Bett. Sexualkunde ist in Mazedonien tabu, was zu Problemen bei jungen Menschen führt. Ich finde es toll, dass die Kinder hier bereits in der Schule sexuell aufgeklärt werden und auch die Eltern zu Hause dazu beitragen. Weniger gut finde ich, dass berufstätige Schweizer Eltern sehr wenig Freizeit, dafür unglaublich viele Freizeitaktivitäten zur Verfügung haben. In Mazedonien ist es umgekehrt: Die Menschen haben viel Freizeit, aber es gibt keinerlei Freizeitaktivitäten. Dafür haben sie eine viel engere Beziehung zu ihrer Familie. Hier müssen alle so viel arbeiten.»
Deutschland
Familie Filus
Franziska (33), Sachbearbeiterin, Alexander (35), IT-Spezialist, Merle (5) und Louisa (1).
Eine Frage war es, die «Franzi» in der Schweiz als Erstes auffiel: «Und, was machst du so ...?» Sowas gibts in ihrer Heimat kaum, wenn eine Mutter mit kleinen Kindern auftaucht, denn in Deutschland haben alle Frauen Anrecht auf drei Jahre Erziehungsurlaub. Franzi gab Merle mit 18 Monaten in die Kinderkrippe, weil sie fand, ein bisschen mehr Sozialkontakt könnte ihrer Tochter kaum schaden. Toll findet Franziska Filus, dass in der Schweizer sogar die Kindergartenkinder den Schulweg ganz allein zurücklegen – undenkbar in Deutschland, sogar verboten. «Ich hatte erst auch fürchterlich Angst», sagt sie. Doch Merle belehrte ihre Mutter bald eines besseren. «Dieses ‹Betüdeln› in Deutschland ist doch auch nicht normal», so Filus. Aufgefallen ist ihr auch, dass bei kranken Kindern sehr oft Homoöpathie eingesetzt wird, was sie vorher gar nicht kannte. Dafür ist ihr ein Rätsel, wie sie demnächst arbeiten gehen soll, wenn Merle in den Kindergarten geht. «Wie schaffen es die Schweizer Frauen bloss, arbeiten zu gehen, wenn die Unterrichtszeiten so blöd liegen?»
Sizilien
Familie Vella
Masina (32), Salvatore (32), Giorgia (8) und Filippo (1) Vella aus Sizilien leben seit 2012 in Killwangen AG: Salvatore ist Maurer, Masina arbeitete in der Heimat in einem Kindergarten.
Wir finden hier fast alles besser als in Sizilien: Die Schule ist absolut toll. Obwohl Giorgia bei der Einreise kein Wort Deutsch konnte, bringt sie bereits heute super Noten nach Hause, auch dank der Lehrerin, die sie individuell unterstützt. Ziemlich gewöhnen musste ich mich an die Tatsache, dass die Schulkinder in der Schweiz ihren Schulweg selbst bewältigen müssen. In Italien müssen die Eltern ihre Kindern bringen und holen, das Ganze wird durch Polizisten täglich überwacht.
Allerdings ist es in der Schweiz viel schwieriger als in Italien, neue Kontakte zu knüpfen. Die Menschen sind sehr verschlossen. Ich verstehe nicht, weshalb es Schweizer komisch finden, wenn sie spontan mal auf Kaffee und Kuchen eingeladen werden.
Tschechien/Deutschland
Familie Greiner
Leseempfehlung

«Mann unter der Geburt»
Selbst wenn Mann schon einiges an Geburten mitgemacht hat, ist und bleibt es ein unglaubliches Ereignis.
Zum Artikel

«Anfallende Ablösung 6»
Pubertät. Nerven aus Damaszener Stahl zulegen. Aus dem Wortschatz das Wort «Muckelmäuschen» streichen und aus dem Herz das Gefühl, allzeit zuständig zu sein. Mütter und Väter, jetzt seid ihr wieder dran. Leinen los!
Zum Artikel












