Hüten und arbeiten
Seit vier Jahren wohnen die Lardoris gemeinsam mit anderen Alleinerziehenden, 7 Frauen, 1 Mann mit einer etwas untypischeren Geschichte und zehn Kindern in einem Genossenschaftshaus in Zürich-Oerlikon. Jede Familie hat ihre eigene Wohnung; eine zusätzliche Wohnung ist angemietet für Mittagstisch und Kinderbetreuung, Hausaufgaben erledigen und spielen. Einen halben bis einen Tag pro Woche hält sich jeder Erwachsene für «Gemeinschaftsdienst» frei. Das heisst: Mittagessen für die Kinder kochen, bei den Uffzgi helfen, Erkältungskinder, die nicht in die Schule können, mitbetreuen, Verabredungen organisieren, Tränen trocknen und putzen. Während eine hütet, gehen die anderen arbeiten.
Frauensolidarität, bei der es nicht um grosse Is mitten im Wort geht, sondern um – Überleben im Alltag. Um Organisation und Hilfe. Nüchtern durchdacht, liebevoll umgesetzt. Denn ausser einer ähnlichen Lebenssituation eint die Frauen, die hier leben, vor allem eines, die feste Überzeugung: Alleinerziehende sind keine Opfer, ihre Kinder keine Wracks.
Leben gelingt auf vielerlei Art. Dabei zeichnen Studien und Untersuchungen vermeintlich ein düsteres Bild: Ein-Eltern-Familien sind fünfmal häufiger von Armut betroffen als «vollständige» Familien. 40 Prozent der Alleinerziehenden haben keinen Job. Unter den sogenannten working poor, also Menschen, die zwar arbeiten, aber trotzdem nicht ohne Hilfe vom Amt über die Runden kommen, stellen sie mit 17,4 Prozent satt die grösste Gruppe. 14 von 100 Menschen, die eine Schuldenberatungsstelle aufsuchen, sind Mütter ohne Partner. Drei Mal höher liegt das Risiko für Alleinerziehende, an einer Depression zu erkranken, und ihre Kinder weisen, laut Unicef-Studie 2013, schon in der 4. Klasse deutliche Rückstände in Mathematik und Naturwissenschaften gegenüber Kindern aus sogenannt «kompletten» Familien auf. Daten zu alleinerziehenden Vätern gibt es bislang kaum, ihr Anteil liegt bei 10 Prozent, 1996 waren es 13 Prozent.
Bedrückende Zahlen und Wasser auf die Mühlen aller Küchenpsychologen. Scheinbar. Denn werden die Studien um den Faktor «Armut» bereinigt, werden also nicht Kinder aus «heilen» und Kinder aus «zerrütteten » Verhältnissen miteinander verglichen, sondern Kinder aus Haushalten mit ähnlichem Einkommen, dann werden – siehe da – aus Trennungskindern kreuznormale Kinder. Mangelt es nicht am Geld, wie so oft, sind die Jungen und Mädchen nicht schlechter und nicht besser in der Schule als alle anderen, ihre Mütter zwar gestresster, aber ansonsten genauso glücklich und gesund wie Mamas, für die das Leben keine One-Woman-Show ist.