Das Zivilstandsamt ist auch für die Eintragung der Vornamen zuständig. Intervenieren Sie bei aussergewöhnlichen Namenswünschen?
Anders als in den Medien kolportiert, gibt es das selten. Von 7000 Vornamen müssen wir einen bis zwei pro Jahr verweigern, etwa dann, wenn die Interessen des Kindes verletzt werden. Man darf seinem Kind keinen Gegenstandsnamen geben und sein Mädchen beispielsweise nicht Roland taufen. «Andrea» für einen Buben hingegen gilt heute als normaler italienischer Name.
Sie wirken zwar keineswegs so – aber unter der Berufsgattung «Zivilstandsbeamter» stellt man sich zuweilen etwas spröde und graugewandete Herren vor...
...Herren? Ich bin als Zivilstandsbeamter fast schon ein Exot – 90 Prozent sind Frauen! Wenn heute ein Mann in Pension geht, folgt eine Frau. Auf Stellenausschreibungen hin melden sich fast nur Frauen.
Ach ja? Weshalb ist das so?
Das Thema Heirat ist wohl eher weiblich besetzt – es sind die Frauen, die heiraten wollen, die Männer sind meist zurückhaltender.
Es sind doch die Männer, die den Heiratsantrag machen...
...Weil sie von den Frauen dazu gedrängt werden!
War es bei Ihnen umgekehrt? Hat Ihre Frau Ihnen den Heiratsantrag gemacht?
Nein! Da habe ich mich angepasst. Ich fuhr am Tag des Antrages auf den Campingplatz, auf welchem ihre Eltern Ferien machten und fragte diese, ob ich ihre Tochter heiraten darf. Sie waren zunächst etwas verdutzt, freuten sich dann aber.
Einen Verlobungsring überreichten Sie Ihrer Frau dann aber schon, oder?
Statt eines Rings schenkte ich ihr einen wunderschönen Armreif, der meiner Mutter gehörte. Sie trug diesen seit Jahren nicht mehr. Ein Verlobungsring wäre mir zu konservativ gewesen.
Und geheiratet haben Sie auf dem Zivilstandsamt in Zürich?
Ja. Ich habe meine Frau im Stadthaus kennengelernt, also am Arbeitsplatz – dort, wo viele Menschen ihre Partner kennenlernen. Wir liessen uns zwar vor zwei Jahren in Frieden wieder scheiden, weil wir beide fanden, dass wir nicht bis 80 eine Ehe führen wollen, die nicht mehr stimmt. Was jedoch nicht heisst, dass ich jemandem abraten würde zu heiraten, denn ich schaue auf schöne Ehejahre zurück!
Nochmals zurück zu Ihren Kernauf gaben: Als Zivilstandsbeamter sind Sie unter anderem verpflichtet, Scheinehen zu verhindern. Wie unterscheiden Sie eigentlich zwischen einer Ehe aus Liebe und einer Scheinehe?
Auf einer Indizienliste sind «Verdachtskriterien» festgehalten. Merken wir, dass die Leute beim Ausfüllen der Formulare am Schalter gegenseitig kaum ihre Namen kennen oder keine gemeinsame Sprache sprechen, ist das seltsam. Oder wenn der Mann beispielsweise ein abgewiesener Asylbewerber ist und die Schweiz in zwei Wochen verlassen müsste, stellt sich schon die Frage, warum das Paar nicht schon früher geheiratet hat.
Dann müssen Sie manchmal Polizist spielen?
Persönlich finde ich das eine schwierige Geschichte. Als wir vor zehn Jahren dazu verpflichtet wurden, als Zivilstandsbeamte diese Kontrollfunktion zu übernehmen, wehrten wir uns dagegen. Wir sind schlussendlich nicht in der Lage, eine Scheinehe zu erkennen, bevor diese geschlossen ist. Ob bei einer Ehe Liebe im Spiel ist oder nicht, spielt grundsätzlich keine Rolle. Im Gesetz steht nirgends, dass Liebe die Voraussetzung für eine Heirat ist.
Sie müssen einem Paar beweisen können, dass es im Begriff ist, «scheinzuheiraten»?
Ich kann nicht einfach aufgrund der Tatsache, dass er ihren Geburtstag nicht kennt, eine Ehe verweigern. Ich finde es zwar wunderbar, wenn ein Paar zu uns an den Schalter kommt und sich küsst. Aber wenn ein Paar sich nicht küsst, heisst das noch lange nicht, dass es sich nicht liebt! Es gibt Kulturen, da sind Berührungen in der Öffentlichkeit tabu. Wir dürfen anderen unsere Werte nicht überstülpen.
Sie haben schon öffentlich Kritik geäussert an der Regelung für Homosexuelle, sich partnerschaftlich eintragen lassen zu können. Weshalb?
Das klingt ja, als wäre ich homophob! Die Eintragung der Partnerschaft für Schwule und Lesben ist meiner Ansicht nach einfach ein etwas hilfloses Kon strukt. Ich bin der Meinung, dass Mann und Mann, Frau und Frau genauso heiraten können sollen wie Mann und Frau. Mit allen Rechten und Pflichten. Eine Ehe für alle also. Deutschland hat die gleichgeschlechtliche Ehe, Österreich wird sie ab 2019 einführen, viele europäische Länder kennen die Ehe für alle. Nur in der Schweiz dauert halt alles etwas länger.
Sie begegnen täglich Menschen in existenziellen Lebenslagen. Müssen Sie manchmal auch ein bisschen Psychologe sein?
Ich bin weder Mediator noch Psychologe, muss aber schon Feingefühl haben, wenn die Menschen zu mir an den Schalter kommen. Besonders schmerzlich ist es, wenn wir Meldungen von Totgeburten erhalten.
Weshalb?
Ein tot geborenes Kind dürfen wir nur eintragen, wenn die Mutter mindestens in der 22. Woche schwanger oder der Fötus 500 Gramm schwer war. Das ist gesetzlich geregelt. Wir hatten einen tragischen Fall einer Zwillingsgeburt in der 21. Woche. Das eine der beiden Kinder lebte, das andere war totgeboren und wog weniger als 500 Gramm. Es war sehr bedrückend, den Eltern zu erklären, dass wir es nicht ins Register eintragen dürfen. Damit existiert das Kind offiziell nicht für die Nachwelt.
Trotz diesen schwierigen Momenten – Sie sind seit 22 Jahren Zivilstandsbeamter – doch ein Traumberuf?
Ja!
Das klingt nun doch fast wie ein «Ja» vor dem Traualtar...
Das haben Sie richtig verstanden. Der Grund dafür ist, dass ich es liebe, unterschiedlichsten Menschen zu begegnen, am Schalter nie zu wissen, was auf mich zukommt. Aber mich interessieren auch die juristischen Aspekte. Wo sonst kann ich mich in spanisches, bengalisches oder eritreisches Recht reinknien?
Dann bleiben Sie dem Zürcher Zivilstandsamt bis zur Pensionierung treu?
Wir Zivilstandsbeamte sind – wie viele Beamte – Menschen, die Bestehendes bewahren wollen. Es gäbe nur einen triftigen Grund, den Job zu wechseln: die Liebe. Treffe ich morgen meine Traumfrau im Ausland, würde ich gehen.